Rauchverbot Tag 1 : "Den Wulff wähle ich nicht mehr"

Während in vielen niedersächsischen Gaststätten Wirte und Gäste aufatmen, ist Ministerpräsident Wulff in den klassischen Eckkneipen untendurch. Ein Rundgang.

Kein Rauch, keine Aschenbecher, aber auch keine Gäste. Bild: dpa

HANNOVER taz Erster Tag des staatlichen Rauchverbots in Niedersachsens Kneipen: Harun Özer, seit zehn Jahren Barmann im "Mezzo" unweit des hannoverschen Hauptbahnhofs, ist richtig glücklich. "Man atmet besser, man stinkt nicht mehr so", sagt der 40-Jährige um elf Uhr am Mittwochabend gegen Ende seiner Schicht. Bislang habe er nach Arbeitstagen mitten im blauen Dunst selbst als Nichtraucher oft braune Brocken husten müssen, meint Harun. Und seine Kellner-Kollegin Nadja ist froh, dass sie nun zu Hause nicht mehr gleich im Flur die stinkenden Klamotten wechseln muss, wenn sie von der Arbeit kommt.

Wie die meisten anderen Gaststätten am Weißekreuzplatz östlich des hannoverschen Hauptbahnhofs hat die Szenekneipe die Raucher vollständig nach draußen verbannt. Die am Mittwoch in Kraft getretenen Landesgesetze, nach denen in Niedersachsen und Baden-Württemberg erstmals in Deutschland allgemeine Rauchverbote in Kneipen gelten, erlauben zwar den Wirten die Einrichtung separater kleinere Raucherräume. Doch Mezzo-Chefin Gabi Prinzen, die selbst raucht und das Verbot dennoch "okay" findet, will erst mal die Reaktion der Gäste abwarten.

Allen Protesten des niedersächsischen Hotel- und Gaststättenverbandes zum Trotz freuen sich auch manche Wirte über das Verbot. Christine Tiemeier, Inhaberin des gern von Schach- und sonstigen Spielern frequentierten "Café Lohengrin", ist etwa richtig froh, dass sie nun "nicht mehr zwischen den Fronten von Rauchern und Nichtrauchern steht". Bislang hatte sie Beschwerden beider Fraktionen entgegenzunehmen. "Es ist gut, dass es jetzt eine gesetzliche Regelung gibt", sagte sie. Umsatzeinbußen wegen der Verbannung der Raucher nach draußen fürchtet Christine Tiemeier nicht. Dem Vorschlag einiger eingefleischter Quarzer, aus dem "Lohengrin" doch einen privaten Club ohne Rauchverbot zu machen, will sie auch nicht folgen.

Die "Edenstube" ist eine typische Eckkneipe in der Oststadt: An der Wand zwei Daddelautomaten und die Musikbox, drei Tische, eine Theke und zur Premiere des Rauchverbotes: ein Gast. Inhaber Detlef Bleibohm hat Angst wegen des Verbotes und ist zudem schlecht informiert. Seinen Stammgast Harald, der seit 25 Jahren als Speditionskaufmann bei Continental arbeitet, schickt er mit seiner Marlboro zum Quarzen nach draußen. "Die gehen schon jetzt rum und schreiben auf, und schwups bist du die Konzession los", meint er. Zudem habe er kein Geld für ein Bußgeld übrig. In Wahrheit werden in Niedersachsen Bußgelder für Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz erst ab November fällig. Die ersten drei Monate sind als Übergangszeit gedacht, um die Wirte und Gäste einzugewöhnen.

Detlef Bleibohm mit seiner kleinen "Edenstube" sammelt Unterschriften für eine Landtagspetition "Gegen das Rauchverbot in Einraumgaststätten". Er selbst und 80 Prozent seiner Gäste seien Raucher, meint er. Sonst habe er mittwochabends zehn Gäste, und nun sei nur Harald da. Der schimpft später kräftig auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, der zunächst in Eckkneipen das Rauchen weiter erlauben wollte. "Der ist umgekippt, der hat von mir zum letzten Mal die Stimme bekommen", sagte Harald. "Der ist umgekippt, den kann man nicht mehr wählen", pflichtet ihm Wirt Detlef bei.

In vielen anderen Eckkneipen in der Oststadt stehen an diesem ersten Tag des Rauchverbots die Aschenbecher weiter auf den Tischen. Felemez Balik, der seit zwei Jahren das "Spichern-Eck" gepachtet hat, will seine Gäste erst mal weiter rauchen lassen. Er lebe von seinen rauchenden Stammgästen und von zwei Dart-Mannschaften, die bei ihm regelmäßig ihre Pfeile werfen, meint er. "Wenn hier in drei Monaten nicht mehr geraucht werden kann, muss ich den Laden dichtmachen", sagt er verzweifelt. Sein Stammgast Wolfgang ist Kaufmann in Rente und "ein alter CDUler". Aber damit ist für ihn jetzt Schluss: "Der Wulff ist umgefallen, ich wähle ihn nicht mehr, ich gehe nicht mehr wählen", meint der 62-Jährige, dem ohne Zigarette das Bier nicht schmeckt: "Bei Rauchverbot trinke ich mein Bier zu Hause."

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