Verwirrspiel um Entführung

Kurzzeitig verschleppter Journalist in Afghanistan war nicht Deutscher, sondern Däne. Außenminister Steinmeier sieht Kidnapping auch als Zeichen wachsender Stabilität

BERLIN dpa/ap/afp/rtr ■ Widersprüchliche Meldungen über die Entführung eines Journalisten in Afghanistan haben gestern erhebliche Verwirrung ausgelöst. Zunächst hieß es, der Stern-Reporter Christoph Reuter sei von radikalislamischen Taliban entführt worden, was sich aber im Tagesverlauf als falsch herausstellte. Tatsächlich hatten Rebellen einen dänischen Journalisten afghanischer Abstammung verschleppt, ihn aber nach wenigen Stunden wieder freigelassen.

Nach Angaben des dänischen Außenministeriums konnte sich der Journalist in eine örtliche Polizeistation retten und sich von dort telefonisch bei der dänischen Botschaft in Kabul melden. Der Name des Journalisten wurde nicht bekannt gegeben. Das vermeintliche Entführungsopfer Reuter meldete sich nach Angaben des Sterns am Nachmittag per SMS bei der Redaktion: „War nie an dem Ort, bin nicht entführt worden.“ Reuter mache derzeit Urlaub in Afghanistan.

Der Krisenstab des Auswärtigen Amts bemühte sich weiter um die Freilassung des entführten deutschen Bauingenieurs. Der Leichnam seines ebenfalls am vorigen Mittwoch gekidnappten und während der Geiselhaft gestorbenen Kollegen wurde am Abend in Köln erwartet. Er soll heute zur Klärung der genauen Todesursache obduziert werden.

Die afghanische Regierung bestätigte gestern Informationen, wonach eine der entführten südkoreanischen Geiseln getötet worden ist. Dies hatte zuvor bereits ein Taliban-Sprecher bekannt gegeben. Acht entführte Südkoreaner wurden offenbar freigelassen. Die islamistischen Rebellen hatten in der Provinz Ghasni am Donnerstag voriger Woche 23 Südkoreaner entführt, überwiegend Frauen. Diese hielten sich als christliche Missionare und Entwicklungshelfer in Afghanistan auf.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Geiselnahmen machte sich Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) für den Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan stark. Ein militärischer Rückzug wäre „ein Sieg der Terroristen und eine Ermutigung für Gewalttäter“ mit „kaum abschätzbaren Folgen auch für uns in Europa und in Deutschland“, sagte Wieczorek-Zeul der Passauer Neuen Presse. Sie kritisierte auch amerikanische Überlegungen zu einem Militärangriff in Pakistan.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte trotz der jüngsten Geiselnahmen vor einer Dramatisierung der aktuellen Bedrohung Deutschlands durch den internationalen Terrorismus. „Deutschland ist nicht explizit zum neuen Ziel erklärt worden“, sagte der SPD-Politiker dem Stern. Trotz insgesamt erhöhter Gefährdung gebe es „keine konkreten Hinweise darauf, dass in Deutschland unmittelbar Anschläge bevorstehen“. Aus den jüngsten Geiselnahmen in Afghanistan dürfe nicht vorschnell der Schluss gezogen werden, dass die Lage in dem Land außer Kontrolle gerate. „Im Gegenteil: Die Zunahme von Selbstmordanschlägen und Geiselnahmen ist ja auch ein Indiz dafür, dass die Taliban die offene Auseinandersetzung mit der Zentralregierung und den internationalen Truppen nicht mehr wagen.“