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: Das Böse im Pinguin, die Zweifel im Menschen – neue Kinder- und Jugendbücher über Religion

Gott ist ein Pinguin in einem Koffer. Die Taube mag das nicht glauben. „Du glaubst nicht an Gott?“, fragt der Pinguin drohend. Und die Taube: „Doch, aber –“ Der Pinguin: „Gott kann überall sein.“ Die Taube: „Beweise mir, dass du Gott bist.“ – „Du musst an mich glauben, ohne einen Beweis zu fordern.“ – „Das ist zu viel verlangt.“ – „Ich weiß, aber das ist der Witz daran.“

Kinderbücher zum Thema Religion haben in den letzten Jahren den Markt geradezu überschwemmt. Biblische Geschichten wurden neu erzählt, Christentum, Judentum und Islam erklärt, religiöse Feste und Riten beschrieben. Die meisten Bücher sind Versuche, dem Traditions- und Bildungsabbruch entgegenzuwirken. Zu kurz kommen dabei oft die Zweifel, welche die Aufklärung gesät hat und welche selbst überzeugte Kirchenmitglieder umtreiben. An diesem Punkt setzt „An der Arche um Acht“ an. Gott ist unsichtbar – wie kann man da sicher sein, dass es ihn wirklich gibt? Über diese Frage zerstreiten sich drei Pinguine, und während sie noch debattieren, beginnt es zu regnen. Die Sintflut! Aber zum Glück gibt es ja die Arche Noah. Dumm nur, dass es lediglich zwei Tickets für drei Pinguine gibt. Und diese Pinguine haben nichts Gutmenschenhaftes – sie wollen den Dritten im Bunde den Fluten überlassen und erst mal ihren eigenen Kopf retten. Das ist realistisch, so wie ihre Glaubenszweifel. „An der Arche um Acht“ fehlt das Süßliche, Niedliche. Es zeigt das Böse im Pinguin und stellt böse Fragen. Man könnte auch sagen: Es nimmt den Menschen ernst, der sich mit der Zumutung des Glaubens konfrontiert sieht.

Um Religion geht es auch in dem neuen Buch von Kirsten Boie. „Alhambra“ ist die Geschichte einer Zeitreise ins Jahr 1492. In Spanien herrscht die Inquisition, das Königspaar Isabella und Ferdinand ist dabei, die letzten Mauren aus Granada zu vertreiben und eine beispiellose Judenverfolgung anzuzetteln, um die durch die Maurenkriege entleerten Staatskassen wieder aufzufüllen. Kolumbus fordert Schiffe, um gen Westen nach Indien zu segeln – noch ist Amerika nicht entdeckt. In diese Zeit hinein fällt der junge Boston, der so heißt, weil sein Vater von dort stammt, und der sich auf einer Klassenfahrt nach Granada befindet. Eigentlich hat er nur auf dem arabischen Touristenmarkt nach einem Geschenk für seine Mutter gesucht, als er plötzlich beim Betasten einer geheimnisvollen Fliese im Jahr 1492 landet. Und eh er sichs versieht, gerät er auch schon mitten hinein in einen Krieg, der vordergründig ein Kampf der Religionen ist.

Wird Boston wieder in die Gegenwart zurückfinden? Und wird er seinen Verfolgern, die den angeblichen Teufelsbündner auf dem Scheiterhaufen brennen sehen wollen, entkommen? Zwischen diesen Polen entspinnt sich eine spannungsgeladene Geschichte. Mit seinen Freunden Tariq und Salomon, einem Muslim und einem Juden, sowie mit Prinzessin Johanna, die später die Wahnsinnige genannt wurde, muss Boston lebensgefährliche Abenteuer bestehen, während er nach dem Schlüssel sucht, der ihn zurück ins Jahr 2007 bringt.

Das wirklich Besondere aber ist, wie Kirsten Boie vor dem Leser eine Zeit ausbreitet, in welcher der Islam eine Hochkultur war, an der sich die Gelehrten orientierten, und der Katholizismus eine fundamentalistische Religion. Die Argumente der verblendeten Königin Isabella erinnern auf erschreckende Weise an die Formeln, mit denen heute islamische Gotteskrieger hantieren – man hat das Gefühl, in eine Welt mit verkehrten Vorzeichen geraten zu sein. Über Zeitreisen hat man zwar schon Smarteres gelesen – aber Boie hat ein Händchen fürs richtige Thema zur richtigen Zeit. ANGELIKA OHLAND

Ulrich Hub, Jörg Mühle: „An der Arche um Acht“. Sauerländer, Düsseldorf. 64 Seiten, 13,90 Euro Kirsten Boie: „Alhambra“. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg. 432 Seiten, 17,90 Euro; das Hörbuch erscheint bei Jumbo/GoyaLit, Hamburg (ca. 10 Std., 34,95 Euro)