Kommentar: Der Schurke hält Hof

Die EU kann von glaubwürdiger Menschenrechtspolitik Abschied nehmen: Das Ehepaar Sarkozy ist eine europäische Blamage.

Falls die EU jemals so etwas wie eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik angestrebt haben sollte - jetzt kann sie davon getrost Abschied nehmen. Denn die Libyenreise des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und seine Atom- und Militärdeals bilden mehr als nur die peinliche Fortsetzung einer Farce mit dem Titel "Das Ehepaar Sarkozy rettet die bulgarischen Krankenschwestern": Sie sind eine europäische Blamage.

Wie schon 2004, als Libyen den Opfern der Anschläge von Lockerbie und der La-Belle-Diskothek eine Entschädigung zahlte und von seinem Atomprogramm Abstand nahm, stehen die Europäer auch heute wieder Schlange, um mit dem Gaddafi-Regime ins Geschäft zu kommen. Der Schurke hält Hof. Dabei ist Libyen noch immer eine Diktatur, in der keine Opposition und keine Meinungsfreiheit zugelassen sind. Das allein müsste genügen, um wirtschaftliche Beziehungen auf kleiner Flamme köcheln zu lassen. In der Affäre um die bulgarischen Krankenschwestern präsentierte sich Libyen darüber hinaus wie ein Geiselnehmer, der seine Lösegeldforderungen stellt, und das auch noch mit Erfolg. Die Reaktion der Europäer ist daher, vorsichtig ausgedrückt, erbärmlich.

Aber kann sich Europas Politik überhaupt an Menschenrechten ausrichten? Sie könnte. Aber sie tut es nicht. Offensichtlich zählt für die Entscheider nur, im weltweiten Kampf um Rohstoffe, Märkte und Einflusszonen nicht ins Hintertreffen zu geraten. Menschenrechtsverletzungen stören da ab einem gewissen Grad. Wie leicht aber die Hemmschwelle sinken kann, führt Präsident Sarkozy gerade vor. Das ist Menschenrechtsdumping.

Die Alternative wäre eine gemeinsame europäische Außenpolitik, die sich an den Menschenrechten orientiert. Europa ist groß und ökonomisch einflussreich genug, um Druck auszuüben und Veränderungen bewirken zu können. Nur: Eine solche gemeinsame Politik gibt es nicht. Schlimmer noch: Es gibt überhaupt keine gemeinsame EU-Außenpolitik, die diesen Namen verdient. Wenn das so bleibt, gehört die Zukunft nicht den Menschenrechten, sondern den Atom- und Waffenlobbys. Es wäre verwunderlich, wenn sich das nicht rächen würde.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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