Hartz IV: Grüne für höheren Regelsatz

Parteichef Bütikofer will fast mehr als die Linkspartei. Er fordert eine überraschend deutliche Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf bis zu 450 Euro.

Die Grünen wollen, dass für Hartz IV-Empfänger mehr aus dem Automat kommt Bild: dpa

BERLIN taz Nach der überraschenden Ankündigung von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), eine Erhöhung des monatlichen Hartz-IV-Regelsatzes von 347 Euro ernsthaft überprüfen zu lassen, überbieten sich Politiker aller Parteien mit Kommentaren zum Thema. Christdemokraten und Liberale wollen, dass alles bleibt, wie es ist - Grüne und Linke wollen, dass Langzeitarbeitslose mehr finanzielle Unterstützung erhalten als bisher.

Den weitreichendsten Vorstoß unternahm Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Er forderte eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes. "Die richtige Bandbreite liegt zwischen 390 und 450 Euro", sagte Bütikofer dem Tagesspiegel. Der Vorsitzende geht damit über die bisherigen offiziellen Forderungen seiner Partei hinaus. Die Grünen, die unter der Schröder-Regierung alle Hartz-Reformen mitbeschlossen hatten, setzen sich zwar seit ein paar Monaten für die Weiterentwicklung von Hartz IV zu einer sozialen Grundsicherung ein. Bislang haben sie jedoch vermieden, konkrete Zahlen für die Höhe der Leistung zu nennen. In einem Papier der grünen "Evaluierungs-AG Hartz IV" vom Februar 2007 heißt es: "Entgegen der jetzigen Praxis wollen wir, dass in Zukunft Kostensteigerungen (z. B. bei den Gesundheitskosten, Energiepreisen, Mehrwertsteuererhöhungen etc.) durch die Anhebung der Regelleistungen ausgeglichen werden."

Bütikofers aktuelle Forderung bedeutet weit mehr, als den Empfängern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) jährlich eine Art Inflationsausgleich zu zahlen. Der Grünen-Chef hält den Regelsatz grundsätzlich für viel zu niedrig. Damit nähert er sich der Position der Linkspartei an. Diese fordert bereits seit über zwei Jahren eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um mindestens 20 Prozent - auf etwa 420 Euro.

Die aktuelle Hartz-IV-Debatte war durch die jüngsten Preiserhöhungen bei Butter und Milch ausgelöst worden. CSU-Chef Edmund Stoiber und sein Vize Horst Seehofer - ihren Parteitag im September vor Augen - hatten dafür plädiert, über eine Erhöhung der Leistungen für Langzeitarbeitslose nachzudenken.

Zuvor hatte bereits Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) als erster Regierungschef überhaupt eine Anhebung von Hartz IV gefordert. Er sprach sich dafür aus, die Hartz-IV-Leistungen alle zwei Jahre zu überprüfen und um die Inflationsrate zu erhöhen. Arbeitsminister Müntefering zeigte sich über diese Debatte deutlich verärgert. "Sachkenntnis wäre hilfreich", sagte er.

Müntefering vermutete aufseiten der Union lediglich populistische Spielchen mit einem ernsten Thema. Er griff deshalb zu einem Trick, um der Union den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er kündigte am Freitag an, bis Ende November von Mitarbeitern seines Hauses prüfen zu lassen, ob eine Erhöhung von Hartz IV angemessen sei. Diesen Vorstoß verknüpfte er jedoch mit seiner alten Forderung nach einem Mindestlohn. Die Einführung eines Mindestlohnes könnte die staatlichen Ausgaben für das Arbeitslosengeld II senken - und so mögliche Mehrausgaben durch eine Anhebung von Hartz IV ausgleichen. Müntefering wusste, dass die Union darauf nicht eingehen würde. Sie lehnt einen Mindestlohn ab.

Prompt kam am Wochenende die vom Arbeitsminister gewünschte Reaktion. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zeigte sich für eine Überprüfung und mögliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes zwar offen. Eine Verknüpfung dieses Themas mit dem Mindestlohn bezeichnete er jedoch als "sachlich falsch". Ein flächendeckender Mindestlohn führe zu mehr Arbeitslosigkeit und verursache Zusatzkosten für den Sozialstaat.

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