Sängerin Annett Louisan: "Lust auf Veränderung"

Sie will sich nicht wiederholen und ist auf ihrer neuen CD musikalisch abwechslungsreicher geworden. An ihrem Image als Pop-Lolita allerdings hält Annett Louisan fest.

Klein, blond und hat "zum Glück kein Kreisch-Publikum" Bild: nela König/105 music gmbh

taz: Frau Louisan, Ihr neues Album ist musikalisch sehr viel abwechslungsreicher als der Vorgänger. Wollen Sie weg vom Chanson?

Annett Louisan: Nicht bewusst jedenfalls. Ich fühl mich mit dem Wort Chanson schon sehr wohl. Wir wollten uns nicht festlegen. Blues, Walzer und Tango passen auch auf eine Platte. Ich finde sogar, es gibt diesmal wieder eher klassische Arrangements im Stil von Aznavour oder Knef, die viel näher am Chanson sind, als ich es früher war. Diesmal ist alles viel größer, wir haben nicht nur mit einer Leadstimme gearbeitet, sondern auch viel mit Chören. Ich hatte Lust auf Veränderung und ich habe alle Freiheiten, mal was auszuprobieren.

In Deutschland gibt es fast so etwas wie eine kleine Chanson-Welle. Kitty Hoff, Bands wie Nylon oder Mathilda. Sehen Sie sich als die Vorreiterin des Neuen Deutschen Chansons?

Ich hatte das Glück und war ganz schnell und vorne dabei. Ich bin einfach froh, dass ich eine Nische für mich gefunden habe, aus der man mich nicht mehr so einfach raustreten kann. Weil ich sehr speziell klinge, das weiß ich, dass man das nicht so einfach kopieren kann. Ich will mich nicht mit Herbert Grönemeyer vergleichen, aber der ist auch so ein spezieller Typ: Den kann man nicht kopieren, das würde kein zweites Mal funktionieren.

Die Karriere von Annett Louisan, so erzählt es die Legende, begann auf einer Party. Dort steckte sie dem Produzenten Frank Ramond einen Zettel zu: "Ich bin Annett. Klein, blond, lustig. Ruf mich an, wenn du eine Sängerin brauchst." Der schrieb der in der Altmark als Annett Päge geborenen Hamburgerin aufmüpfige Chansons auf den nur 1,52 Meter großen Leib und platzierte den Schützling im Markt mit einem Image, das eine neue, selbstbewusste und offensiv sexuelle Fraulichkeit propagierte. Die erste Single "Das Spiel" schoss 2004 mit einem Lolita-Image-Videoclip an die Spitze der Charts, das dazugehörige Album "Bohème" sammelte dreimal Gold und zweimal Platin ein. Die Boulevard-Presse kürte die Sängerin, die aus ihrem Geburtsjahr (alternativ 1977 oder 1979) ein kleines Geheimnis macht, kurzfristig zu ihrem Liebling, doch die hielt Abstand und verkündete, als sie längst verheiratet war, sie wäre Single. Das zweite Album "Unausgesprochen" muss sich ein Jahr später mit jeweils einmal Gold und Platin begnügen, jetzt soll "Das optimale Leben" (195 Music/SonyBMG) die Karriere zumindest stabilisieren: Die Lolita wird nun als "neue Grande Dame des deutschen Chansons" verkauft.

Wichtig für den Erfolg Ihres ersten Albums waren die frivolen Texte. Warum haben Sie jetzt auf die verzichtet?

Das ist auf jeden Fall nicht mehr so offensichtlich. "Bohème", das war eine ganz andere Welt. Das war gut damals, wie es war, und die Lieder mussten auch so sein. "Bohème" war ein kleines Theater.

Wollten Sie jetzt ein gewisses Klischee bewusst nicht mehr bedienen?

Sicher. Ich will mich nicht wiederholen. Mehr konnte von mir in der Richtung nicht kommen. Vielleicht hab ich auch ein bisschen genug davon. Ich singe die Lieder von "Bohème" ja zum Teil immer noch auf der Bühne, die gehören auch noch zu mir, aber es ist wichtig, jetzt was anderes zu machen, das Spektrum zu vergrößern. David Bowie hat mal gesagt, dass er das nur überstanden hat, weil er sich immer wieder neu erfunden hat. Sonst hätte er den Zirkus gar nicht ertragen können. Ich wäre sehr, sehr traurig, wenn das Album ein Flop werden würde, aber Sängerin ist nicht meine Berufung. Ich könnte auch noch andere Sachen.

Musikmachen also nur, wenn es ein Publikum gibt?

Ja, nur für mich allein, das könnte ich nicht. Ich könnte mir nicht einreden, ich brauche das, ich muss das, wenn keiner da wäre, der zuhört.

Mussten Sie ja auch nicht. Ihr Erfolg kam schnell und massiv - auch dank des Lolita-Images. Wie geplant war das?

Weil die Medien so dermaßen drauf angesprungen sind, sieht es so geplant und perfekt konstruiert aus. War es aber gar nicht. Dazu ging alles auch zu schnell. Und es ist nun mal eine Tatsache, dass ich auf Fotos immer noch mal jünger aussehe, selbst wenn ich mir einen Hut aufsetze. Jeder Mensch hat nun mal seine Ausstrahlung: Die Salma Hayek kann wahrscheinlich auch nicht mehr hören, was für eine leidenschaftliche, rassige Frau sie ist. Das sind Klischees und damit muss man leben.

Aber im Videoclip wie dem zu Ihrer ersten Single "Das Spiel" sind Sie ganz eindeutig als langhaarige, blonde Lolita ins Bild gesetzt?

Warum soll ich mich nicht so inszenieren? Klar, das war geplant, die langen blonden Haare, die großen Augen. Ich liebe "Swimming Pool", ich liebe Brigitte Bardot, ich mag diese Ästhetik und ich mag mich als Frau auch so sehen. Ich wollte das. Ob ich immer so bin? Ob ich auch mal anders bin? Natürlich ist Annett Louisan eine Kunstfigur. Aber ich habe als Künstlerin die Möglichkeit, mich zu inszenieren, und es muss ja nicht immer alles hundertprozentig authentisch sein. Es macht mir großen Spaß, in Rollen zu schlüpfen.

Wie weit kann man so ein Image kontrollieren?

Bis zu einem gewissen Punkt schon. Zum Glück hab ich auch kein Kreisch-Publikum, da lauert mir niemand hinterm Gebüsch auf. Aber natürlich sind Sachen mit Boulevard-Blättern passiert, die ich nicht so gesteuert habe. Aber man kann sich da ganz gut raushalten, wenn man die nicht füttert, und irgendwann beruhigt sich das auch wieder.

Auf dem neuen Album werden Sie bei genau der Hälfte der Songs als Ko-Texterin geführt, für die andere Hälfte bekommt Ihr Produzent Frank Ramond allein die Autoren-Credits. Und bei den Kompositionen tauchen Sie gar nicht auf, die teilen sich Ramond und die Herren Hardy Kayser und Matthias Hass. Wie groß ist Ihr eigener Anteil am Endprodukt Annett Louisan?

Frank ist ein sehr guter Beobachter. Er hat mich von Anfang an auf eine gewisse Weise gesehen, und dafür bin ich ihm dankbar. Er kann sich einfühlen in meine Welt, in meine Ästhetik. Wir haben das zusammen geschaffen. Und jeder hat seinen Anteil, und der ist wahrscheinlich nicht geringer als der des anderen. Wir sind gleichberechtigte Partner, auch künstlerisch.

Wenn Sie in zehn Jahren nicht mehr auftreten wollen, möchten Sie vielleicht von den Tantiemen für die Radio-Einsätze Ihrer Hits leben. Die bekommen aber nur diejenigen, die in den Song-Credits aufgeführt sind.

Ich bin ja Ko-Autorin, das wächst ja auch. Ich habe dazugelernt. Ich brauche das nicht für mein Selbstwertgefühl, ich bin stolz auf das, was wir da zusammen erschaffen.

Aus einer feministischen Perspektive würde man sagen, da bauen drei Männer eine Frau auf und sichern sich allein die Profite.

Die Verteilung, die ist bei uns schon gut gelöst. Da muss keiner traurig sein. Das ist schon gerecht. Haben Sie da mal keine Angst. Außerdem arbeite ich gern im Team, denn produzieren heißt für mich, sich mit Profis zu umgeben, und ich profitiere ja auch davon. Wir benutzen uns gegenseitig. Frank könnte ohne mich auch kein Geld verdienen und meine Platten würden nicht so werden ohne ihn. Was soll daran schlimm sein?

Wie die Erlöse dieser Zusammenarbeit verteilt werden. Die Geschichte der Popmusik ist gepflastert mit geprellten Künstlern.

Stimmt. Marlene Dietrich konnte am Schluss ihre Wohnung nicht mehr bezahlen. Das musste die Stadt Paris für Sie übernehmen. Hilde Knef ist auch ein gutes Beispiel. Aber ob Sie es mir glauben oder nicht: Ich denke gar nicht so viel über Geld nach.

Das ist vielleicht ein Fehler.

Vielleicht. Aber vielleicht hätte man auch eine andere Ausstrahlung, ginge man so rational und analytisch an seine Karriere ran. Natürlich übernehme ich die Verantwortung für meine finanziellen Dinge, aber sich mit der Steuererklärung rumzuschlagen, das versaut einen auch ein bisschen, sich zu sehr um das Morgen zu sorgen. Ich würde jetzt ja gern eine rauchen? Müssen wir dazu rausgehen?

Ja, draußen im Foyer darf man noch. [Umzug ins Foyer, Feuerzeugklappern, sie raucht Gauloises]

INTERVIEW: THOMAS WINKLER

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