Der Kamera die erste Nacht

Die Kontrollmanien des Managers: Mit frivolem Leichtsinn versucht sich Pierre Jolivets Film „Kann das Liebe sein?“ an einem neuen Genre – der Überwachungskomödie

Er legt Abhöranlagen und installiert Videokameras, bricht in die Praxis ihres Gynäkologen ein und verfolgt sie mit seinem Auto quer durch Paris

Elsa, eine schöne Keramikkünstlerin, betritt die Lobby eines Pariser Weltunternehmens. Sie soll das langweilige Protzgebäude mit einem farbigen Bodenfries schmücken. Sandrine Bonnaire tritt mit der ihr eigenen Klarheit und Entschiedenheit auf, eine dezent gestylte ewige Enddreißigerin in der Arbeitsschürze. Sie überzeugt den fahrigen Chef Lucas (Vincent Lindon) von einer Keramik nach japanischer Art, einem eleganten Wellengebilde. Das entspricht Lucas’ Präsentationslust – sehr schnell aber wird deutlich, dass er es auch mit einer ausgewachsenen Neurose zu tun hat, einer panischen Angst vor der Konkurrenz, vor Spionage, vor Heuschrecken, vor den Asiaten vielleicht auch.

Während Elsa anfängt, an dem Keramikfries zu arbeiten, allmählich ein gebranntes Puzzlestück ans andere setzt, reizt sie Lucas immer häufiger zum Kontrollblick von der Galerie herunter. Mit viel erzählerischem Tempo entwickelt sich hier das zukunftsträchtige Genre der Überwachungskomödie. Lucas, von Lindon als wuschelköpfiger Hektiker mit traurigem Blick gespielt, hantiert mit zwei Handys gleichzeitig, ist permanent in Bewegung, kommuniziert ohne Pause, hat das Setting von richtiger Arbeit nicht mehr nötig – er ist ein Mann mit leerem Schreibtisch. Der Mann leidet eindeutig unter Kontrollmanie, seit eine Verflossene als Spionin der Konkurrenz enttarnt wurde. Jetzt verliebt sich der einsame späte Junge in die zielstrebige Schöne, die unten in seiner Lobby ihrer Kunst nachgeht. Und die er tatsächlich nicht nur als Objekt der Begierde, sondern auch als Bedrohung wahrnimmt.

Pierre Jolivet, einst Schauspieler und Drehbuchschreiber zum Beispiel für Luc Bessons Thriller-Melo „Subway“, probiert gern Genres aus. Sein Lieblingskollege beim Schreiben, Simon Michael, kennt sich aus seinem vorfilmischen Leben beim Militär und der Polizei bestens mit Überwachung und Aufklärungstechniken aus. Privatdetektive, die als Sicherheitsleute in Unternehmen arbeiten, bekommen von ihren Chefs oft die merkwürdigsten Sonderaufgaben, weiß Simon Michael.

Und das passiert dann auch Roland, Lucas’ Hausdetektiv (François Berléand). Er wird auf die Spur der Künstlerin gesetzt – und geht mit arglosem Berufsstolz zu Werk. Er legt Abhöranlagen und installiert eine Videokamera in ihrer Atelierwohnung, bricht gar in die Praxis ihres Gynäkologen ein und verfolgt sie mit seinem Handwerkerauto quer durch die Stadt.

Aber Elsa hat partout nichts zu verbergen – was sie für Roland nur noch verdächtiger macht. Sie lebt allein, hat aber eine Nichte bei sich aufgenommen. Ist sie lesbisch? Kann sie keine Kinder bekommen? Gibt es einen anderen in ihrem Leben? Es liegt ein komisch abgründiger Dreh in der Art und Weise, wie Jolivet und Michael dem Mysterium der Liebe zu Leibe rücken. Dabei sind die Gags um den Liebesaufschub manchmal nur mechanische Pointen, und Stalker und Spione in Liebesgeschichten sind im Kino nicht neu. Hier liegt der Witz darin, wie sich der Kontrolleur in seinem eigenen Netz verfängt.

Denn Lucas will gleichzeitig alles wissen und imponieren. Er lässt einen alten Kunstexperten einfliegen, der in nur vier Sätzen das Geheimnis japanischer Keramik definieren soll – Sätze, die sich in Verführungsstrategien verwandeln lassen. Sein bester Freund erklärt ihm, dass gegenseitige Geheimnisse in Wahrheit das Salz in der Suppe einer guten Ehe seien, die Chance zum Seitensprung inbegriffen. Gegen Geheimnisse aber will Lucas sich absichern, gerät gleichzeitig in Panik, weil er weiß, dass die Kamera ihre erste gemeinsame Nacht aufzeichnen wird. Die Sache verselbständigt sich. Elsa schließlich entdeckt die Machenschaften und beginnt sich zu wehren.

Wer in seine eigene Stasi-Akte Einblick genommen hat, wird sich womöglich am frivolen Leichtsinn dieser etwas konstruierten Zeitgeistkomödie verschlucken. Aber „Kann das Liebe sein?“ ist ein gut beobachtetes Szenario über den Irrsinn, der angesichts von immer mehr „sicherheitsrelevanten“ Abhörinformationen aus der Intimsphäre entsteht. CLAUDIA LENSSEN

„Kann das Liebe sein?“. Regie: Pierre Jolivet. Mit Sandrine Bonnaire, Vincent Lindon. Frankreich 2007, 90 Min.