daily dope (216)
: Der harte Handel

Quer über den Globus – auch in Deutschland – heben Fahnder illegale Labors aus, die Dopingmittel vor allem für Bodybuilder hergestellt haben

So was hatte das beschauliche Kronberg noch nicht erlebt. Hier, an der Endstation der Frankfurter Straßenbahn-Linie 4, in der besten Wohngegend des deutschen Finanzkapitals, wo sonst Bankiersgattinnen ihre Kinderwagen an den Deutschland-Vertretungen von Jaguar und Aston Martin vorbeischieben, entdeckten Fahnder im Keller eines Wohnhauses ein geheimes Labor und beschlagnahmten zwölf Liter fertiger Injektionslösung. Ein Dopingsumpf.

Die Razzia war nur ein kleines Puzzle-Teil in einem weltweit koordinierten Schlag gegen die international agierende Drogen- Mafia. Vorgegangen wurde gegen illegale Labors in den USA, Kanada, Mexiko, Schweden, Polen, Spanien, Israel, Thailand, Dänemark und Australien. In Deutschland wurden fünf illegale Labors zur Herstellung von Anabolika ausgehoben. Im nordrhein-westfälischen Minden wurde ein Mann festgenommen, gegen 20 Beschuldigte wird ermittelt.

Die Hinweise kamen von der amerikanischen Antidrogenbehörde Drug Enforcement Administration (DEA), die der Aktion den schnittigen Namen „Raw Deal“ verpasste und während der 18 Monate dauernden Ermittlungen mit den Regierungen verschiedener Ländern zusammenarbeitete, darunter auch China. 99 Prozent der Drogen oder deren Grundstoffe, die dann vor Ort weiter verarbeitet wurden, kamen aus der Volksrepublik, schätzt die DEA. Insgesamt wurden in den USA 56 Labors ausgehoben und 124 Personen verhaftet, 11,4 Millionen Portionen Drogen und 6,6 Millionen Dollar Bargeld wurden sichergestellt. Auch ein erstes Todesopfer forderte „Raw Deal“ bereits: Ein 36-jähriger Verdächtigter beging vergangene Woche Selbstmord.

Neu ist nicht nur das Ausmaß der Operation, sondern auch dass die ins Visier geratenen Strukturen oft nicht wie klassische Drogen-Kartelle, sondern meist dezentral organisiert sind und ihre Geschäfte übers Internet abwickeln. Dazu bedienen sie sich der Errungenschaften des Web 2.0: Mitunter wurden die Anabolika und Wachstumshormone über die Online-Community MySpace verkauft.

Die DEA sammelt nun die Kontaktdaten der Kunden und versucht deren Identitäten aufzuklären. Tausende seien unter Verdacht, ließ die Behörde verlauten und nahm bereits vorsorglich Kontakt auf mit den amerikanischen Profi-Ligen. „Wir werden nicht alle anklagen können, aber wir werden alle identifizieren“, sagte John P. Gilbride vom New Yorker DEA-Büro, „wir haben Namen, wir haben Adressen, es sind so viele, dass ich nicht mal eine exakte Anzahl angeben kann.“

Momentan sieht es so aus, als wären vor allem Bodybuilder Kunden gewesen. Aber da in den einschlägigen Chat-Rooms, in denen Informationen ausgetauscht werden, und in Fitnessstudios auch Athleten aus anderen Sportarten verkehren, ist davon auszugehen, dass im Zuge von „Raw Deal“ womöglich auch der ein oder andere prominente Name entlarvt wird. Vor allem aber führt „Raw Deal“ der US-Öffentlichkeit endgültig vor Augen, dass der Gebrauch verbotener Mittel zur Leistungssteigerung im Alltag fest verankert ist. „Wir haben Zimmer gefunden, die bis an die Decke mit Drogen gefüllt waren“, erzählt Kathleen Rice, Staatsanwältin im Bezirk Nassau, die mit ihren Mitarbeitern im Staat New York Dopingmittel im Wert von 13 Millionen Dollar sicherstellte, „in der Zeitung liest man immer nur von Profi-Sportlern, aber das Problem existiert hier in unseren Schulen und Turnhallen. Hoffentlich wird diese Aktion zum Weckruf für Eltern, Schüler und Trainer.“

THOMAS WINKLER