Games Convention: Alle wollen nur noch spielen

Die Computerspiel-Messe "Games Convention" in Leipzig präsentierte sich auch in diesem Jahr nur von der besten Seite: Alles harmlos, alles unterhaltend. Ist es das wirklich?

Nur Gedaddel, sonst nix. Oder? Bild: dpa

Am Hauptbahnhof begrüßen riesige Plakate mit Fantasyfiguren die Anreisenden. In der Wartehalle, wo sonst die Leute mit ihren Koffern stehen, reihen sich etliche Computerbildschirme dicht aneinander. Davor stehen ebenso dicht gedrängt Kinder und Jugendliche Schlange. Wer in den letzten Tagen Leipzig besucht hat, konnte die sonst so gemütlich wirkende Stadt kaum wiedererkennen. Wo man auch hinsah, überall Displays mit bunten Filmen, Infostände und Leute, die Handzettel und Werbegeschenke verteilten. Und alles drehte sich nur um ein Thema: Videospiele.

Wenn in Leipzig die Spielemesse "Games Convention" stattfindet, kann das niemand übersehen. Am 22. August war es wieder so weit. Über 9.000 Fachbesucher reisten an, um die Neuheiten der rund 500 Aussteller aus 31 Ländern zu sehen. Ab letzten Donnerstag durfte endlich auch das Publikum die künftigen Computerspielehits ausprobieren.

Beim Betreten von Leipzigs lautester Messe kam für viele Besucher die erste Überraschung: Nicht nur Jugendliche und kleine Jungs liefen durch die Hallen, auch ältere Menschen über 50 Jahre und junge Mädchen, die so gar nicht wie Computerfreaks aussahen, starrten wie gebannt auf die Bildschirme. Dementsprechend heißt einer der großen Messetrends Casual Games. Diese leicht zu bedienenden Spiele sollen die breite Masse ansprechen und der Industrie neue Zielgruppen bescheren.

Gilt als: Europas Leitmesse für Computer- und Videospiele

Findet statt seit: 2002

Aussteller: 503 aus 31 Ländern

Popularität: allein bis Samstag hatten insgesamt 151.000 SpielerInnen die Messe besucht. Die Veranstalter hoffen für dieses Jahr zum ersten Mal auf einen Rekord von über 200.000 Besuchern und Besucherinnen.

Wer spielt? Mehr als jeder dritte Deutsche über 14 Jahren spielt am Computer, einer Spielkonsole oder auf dem Handy. Das sind rund 20 Millionen Spieler und Spielerinnen.

Umsatz der Branche: wachsend. Laut Marktforschungsunternehmen soll er in diesem Jahr voraussichtlich um 21 Prozent auf insgesamt 2,1 Milliarden Euro steigen.

Ableger: Dank des großen Erfolges gibt es nun die "Games Convention Asia" in Singapur.

Das Konzept geht auf: Die kleinen Puzzlespiele im Stil des Knobelklassikers Tetris, Pokern im Internet, Tierpflegesimulationen und Fitnessprogramme für den Kopf wie der Reaktionstest "Eye Training DS" sprechen auch die bislang Spielunerfahrenen an und werden Ende dieses Jahres die Regale der Geschäfte füllen.

Denn Menschen, die sonst nie an Computer und Konsole spielen, haben oft Hemmungen, einen klassischen Controller in die Hand zu nehmen. All die Knöpfe und Tasten wirken gerade auf ältere Menschen einschüchternd. Zu groß ist die Angst, nicht schnell genug die richtige Taste zu finden oder gar die falsche zu drücken. Neue Arten der Steuerung umgehen das Problem. Der tragbare Nintendo DS, dessen Bildschirm auf Berührung reagiert, und die Wii-Konsole, deren Controller je nach Spiel wie ein Tennisschläger oder eine Angel geschwenkt wird, waren bereits in den letzten Monaten der Renner. Nun kommen weitere Controller, die das Spielgefühl noch realistischer machen.

Für Aufsehen auf der Messe hat "Wii Fit" gesorgt. Diese Sportspiele haben ihren Namen verdient. Statt kleine Männchen auf einem virtuellen Sportplatz per Knopfdruck zu befehligen, lenkt der Spieler seine Figur mit vollem Körpereinsatz. Das zugehörige "Balance Board" sieht aus wie eine Waage und misst die Gewichtsverlagerung des Benutzers. Die Yoga-, Hula-Hoop- und Aerobic-Übungen sollen beweisen, dass moderne Spieler keine Couch-Potatoes sind. Das private Fitnessstudio erscheint 2008.

Wer es weniger schweißtreibend mag, kann ab Oktober im Brettspiel "The Eye of Judgement" sein strategisches Geschick beweisen. Eine spezielle Kamera für die PlayStation 3 filmt alles, was auf dem Spielbrett passiert, und überträgt das Geschehen auf den Fernseher. Das Game erinnert an das Sammelkartenspiel Yu-Gi-Oh!. Legt der Spieler eine Karte mit einem Drachen auf ein Feld, erwacht der auf dem TV-Schirm zum Leben.

Nicht ganz so gemächlich und viel lauter geht es bei der Musiksimulation "Rock Band" zu. Hier dürfen sich Musikfans an der Konsole wie echte Rockstars fühlen. Dazu brauchen sie keine teuren Instrumente, sondern nur die Software und die speziellen Controller, die aussehen wie Gitarre, Bass, Mikrofon und Percussions. Die Jam-Session für das Wohnzimmer eignet sich wahrscheinlich ähnlich gut oder schlecht wie Karaoke, eine lahme Party in Gang zu bringen. Vorausgesetzt, man hat genügend Platz für die großen Spezialcontroller. Die Hobbymusiker spielen damit die auf dem Fernseher gezeigten Noten nach.

Trotz neuer Steuerungsmethoden sterben der klassische Controller und die Bedienung per Tastatur und Maus nicht aus. Und auch die traditionellen Games fühlen sich durch leistungsfähigere PCs und Konsolen immer realistischer an. Die Grafik und die Tonkulisse werden überzeugender. Ebenso feilen die Entwickler am physikalisch korrekten Verhalten von rollenden Bällen, einstürzenden Häusern und anderen Objekten.

Schlangen bildeten sich vor dem preisgekrönten Thriller "Bioshock", der zeitgleich mit der Messe erschienen ist. In dem gruseligen Actionhit für Erwachsene erkundet der Held eine Unterwasserstadt im Stil des Films "Metropolis". Während er sich gegen mutierte Bewohner wehrt und das Geheimnis der Stadt lüftet, staunen die Spieler über die grafisch beeindruckende Welt auf dem Meeresboden.

Ein weiterer Grafikhit ist das im November erscheinende "Crysis", das von einer Alieninvasion auf einer pazifischen Inselgruppe handelt. Das zum besten PC-Spiel der GC gekürte Actiongame wird gerne als Vorzeigetitel benutzt, nicht nur von der Entwicklerfirma Crytec, sondern der gesamten deutschen Spieleindustrie. Die schön gestaltete virtuelle Dschungelwelt stammt aus Frankfurt.

Bereits mit dem Vorgänger hat Crytec bewiesen, dass international erfolgreiche Spiele nicht nur aus Übersee stammen müssen. Auch Deutschlands erfolgreichste PC-Serie war mit dem Spiel "Die Siedler VI" vertreten. In dem im September erscheinenden Strategietitel muss der Spieler Siedlungen bauen und die Bedürfnisse der Bewohner befriedigen.

Während in den Hallen die Besucher Schlangen bilden, um all die Neuheiten auszuprobieren und die beliebten Werbegeschenke in riesigen Tüten zu horten, geht es im Business-Center, dem Fachbesucherbereich, ruhiger zu. Auch hier stehen Spiele zum Testen bereit. Trotzdem ist das Hauptthema ein anderes. Hier diskutiert die Branche stolz über die Umsätze des deutschen Marktes und den internationalen Erfolg der Messe. Allein in der ersten Jahreshälfte 2007 hat die Spieleindustrie in Deutschland einen Umsatz von 873 Millionen gemacht. Das ist eine Steigerung von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Mit Spannung wurden im Business Center täglich die Besucherzahlen der Messe verfolgt. Denn die Games Convention liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Tokyo Game Show um den Rang der weltgrößten Spielemesse. Bis Samstagabend wurden 151.000 Besucher auf dem Leipziger Messegelände gezählt. Unter den Besuchern sind längst nicht mehr nur Deutsche. Neben Fachbesuchern aus dem Ausland reisten bekannte internationale Entwicklerlegenden wie "Metal-Gear-Solid"-Macher Hideo Kojima an.

Nach den vielen Erfolgsmeldungen des Fantasyhits "World of Warcraft" durften auch die Onlinerollenspiele in Leipzig nicht fehlen. Mit mittlerweile über 9 Millionen zahlenden Abonnenten hat das Onlineabenteuer das Genre populär gemacht. Hier treffen sich rund um die Uhr Spieler aus der ganzen Welt, um als Ork, Mensch oder Elf miteinander Abenteuer zu erleben. Wie der Held aussieht und welche Fähigkeiten er im Laufe des Spiels erlernt, bestimmt jeder selbst. Neben einer Erweiterung für den Kassenschlager waren etliche andere Onlinespiele zu sehen. Ob klassisches Fantasy, Endzeitszenarien oder neue Settings wie beim auf den gleichnamigen Büchern beruhenden "Age of Conan" - bei so vielen Onlinegames fällt die Wahl schwer.

Vielen genügt es trotzdem nicht, durch vorgefertigte Welten zu laufen - selbst wenn die sich wie in einem Onlinespiel durch die Masse an Mitspielern regelmäßig verändern. Im innovativsten Spiel der Messe, "Little Big Planet", werden PlayStation-3-Besitzer selbst zum Designer. Sie platzieren Rampen, Bälle und Seilzüge in einer kunterbunten Welt. Anschließend können sie mit einem eigens kreierten Männchen durchhüpfen. Auch "Die Sims"-Erfinder Will Wright macht den Spieler zum Gestalter. In der Evolutionssimulation "Spore" erschafft der PC-Nutzer eine eigene Welt und kreiert dessen Bewohner selbst. Beide Spiele für Kreative erscheinen 2008.

Aber was wäre eine Videospielemsesse ohne bekannte Helden? Wie in jedem Jahr zog ein als Lara Croft verkleidetes Model die Blicke der männlichen Fans auf sich. Auch Mario, der berühmteste Klempner der Welt, war in mehreren Spielen vertreten. Im offziellen Titel zu den Olympischen Spielen, "Mario & Sonic at the Olympuc Games", rennt er sogar gemeinsam mit Sega-Maskottchen Sonic über die Bildschirme.

Am Sonntag endete die Messe. All die Besucher sind abgereist, die Plakate und Infostände aus der Stadt verschwunden. Nach so viel Trubel kehrt Leipzig wieder zum Alltag zurück. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Videospiele vielleicht doch nicht so schlecht sind, wie sie in vielen Medien oft dargestellt werden, sondern ebenso harmlose Unterhaltung für die breite Masse bieten und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind.

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