Widerstand gegen Bahn-Privatisierung

Die Pläne von Verkehrsminister Tiefensee, die Deutsche Bahn AG an die Börse zu bringen, stoßen auch bei immer mehr Bundesländern auf Kritik. Sie befürchten vor allem, dass private Eigentümer den Verkehr in der Fläche vernachlässigen

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Zug scheint fast schon abgefahren. Am morgigen Dienstag will die Bundesregierung mit einem Kabinettsentscheid die Signale für die Privatisierung der Deutschen Bahn AG auf Grün schalten. Nach der Sommerpause soll dann der Bundestag den Gesetzentwurf zur Bahnreform verabschieden. Das letzte Wort hat danach der Bundesrat. Doch genau dort könnte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der forsch ankündigte, Ende 2008 gut ein Viertel der bisher noch ausschließlich vom Bund gehaltenen Anteile an der Börse anbieten zu wollen, mit seinem Privatisierungsvorhaben doch noch scheitern.

In sechs Bundesländern – darunter so stimmgewaltige wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen – melden die Regierungen Widerstand gegen die vorliegenden Privatisierungspläne an. Für die Renegaten erklärte der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) an diesem Wochenende unmissverständlich, im Bundesrat gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, falls es nicht „Nachbesserungen“ gebe.

Rhiel moniert vor allem, dass der Bund bei der jetzt von Tiefensee vorgelegten Version der Teilprivatisierung nicht nur die „politische Verantwortung“ für die Bahn zu tragen habe, sondern auch die wirtschaftlichen Risiken. Denn Gleise, Bahnhöfe und Stellwerke verblieben in der Hand des Bundes. Voraussetzung für den von der EU geforderten freien Wettbewerb sei die „klare Trennung zwischen Netz und Verkehr sowie eine effektive Regulierung der Trassenpreise“, sagte Rhiel dem Onlinedienst der Wirtschaftswoche.

In anderen Ländern befürchtet man, dass sich neue private Eigentümer der Bahn AG auf den Betrieb lukrativer Fernstrecken konzentrieren und den Verkehr in der Fläche vernachlässigen.

Sachsens Verkehrsminister Thomas Jurk (SPD) klagt deshalb bei Tiefensee einen direkten Einfluss der Länder auf die „Investitionsentscheidungen in das Netz“ ein. Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) ist prinzipiell gegen jede Privatisierung der Bahn. Der Entwurf, sagt auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU), sei „nicht zustimmungsfähig“.

Schon in den vergangenen Wochen war aus den Reihen der Berliner Koalitionsparteien Kritik am Privatisierungsentwurf gekommen, bei der SPD offen (taz vom 6. Juli), bei der CDU verhalten. Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach von „noch offenen Fragen“.

Privatisierungsgegner etwa von der Kampagne „Bahn für alle“ verweisen immer wieder darauf, dass sich die Bevölkerung in diversen Umfragen klar gegen einen Börsengang ausgesprochen habe – zuletzt 71 Prozent. Und sie verweisen auf abschreckende Beispiele in anderen Ländern, etwa Großbritannien oder Argentinien: Streckenstilllegungen en masse, Personalabbau, miserabler Service, astronomische Fahrpreise und mangelhafte Sicherheit. Befürchtet wird auch, dass Finanzinvestoren oder dubiose Konzerne wie Gazprom bei der Bahn AG bald schon auf Einkaufstour gehen könnten.