Mittelständler werden zu Hedgefonds

Ein neues Gesetz soll mehr private Finanzinvestoren nach Deutschland locken. Doch was als Förderung für junge Technologiefirmen gedacht war, könnte zu einem gigantischen Steuersparmodell für deutsche Unternehmen werden

VON TARIK AHMIA

Noch ächzt das globale Finanzsystem unter den riskanten Kreditgeschäften von Hedgefonds, da beschließt das Bundeskabinett heute ein Gesetz, um private Finanzinvestoren in Deutschland steuerlich besser zu stellen.

Das Gesetz zur „Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen“ soll Finanzbeteiligungen an deutschen Unternehmen mit Steuererleichterungen attraktiver machen. Dazu gehört etwa, Finanzinvestoren von der Gewerbesteuer zu befreien oder deren Verkaufserlöse nicht zu besteuern. Die bevorzugte Behandlung ist aber an Bedingungen geknüpft: Sie soll nur für Beteiligungen an Unternehmen gewährt werden, die höchstes zehn Jahre alt sind und nicht mehr als 20 Millionen Euro Eigenkapital besitzen.

Allerdings sah das Eckpunktepapier, das das Bundesfinanzministerium im Mai vorgestellt hatte, noch sehr viel strengere Bedingungen vor: Ursprünglich sollten nur Technologiefirmen berücksichtigt werden, die maximal 500.000 Euro Eigenkapital haben und nicht älter als sieben Jahre sind, um Anreize für Wagniskapital-Investoren zu schaffen. Die Bundesregierung ging damals von 465 Millionen Euro Steuerausfällen durch das Gesetz aus. Wie viel Einnahmen das neue Gesetz den Fiskus kosten wird, ist dem Finanzministerium allerdings nicht bekannt. Das ergab eine kleine Anfrage des finanzpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Axel Troost.

Dem Vernehmen nach hat der Druck der CDU/CSU und des Wirtschaftsministeriums bei der Formulierung des Gesetzestextes dafür gesorgt, von den Eckpunkten entscheidend abzuweichen: Ob ein Unternehmen zukunftsorientiert oder innovativ ist, wird in der Vorlage mit keinem Wort mehr erwähnt.

Das dürfte Folgen für die Auswirkungen des Gesetzes haben. Kritiker warnen bereits vor einem gewaltigen Steuersparmodell für deutsche Unternehmen, das in dem Gesetz schlummert. „Durch das Gesetz werden unregulierte, ausländische anonyme Geldinvestoren besser behandelt als inländische Investoren“, sagt der Steuerrechtler Lorenz Jarass der im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung ein Gutachten über die Auswirkungen des Gesetzes verfasst hat. „Die Auswirkungen wären katastrophal“, fürchtet er.

In seinem Gutachten legt er dar, wie mit dem neuen Gesetz auch alteingesessene Mittelständler ihre steuerpflichtigen Einnahmen als Gewerbebetrieb durch eine geschickte Firmenkonstruktion mit Hilfe des Gesetzes massiv senken können.

So ist laut Jarass die Zehnjahresgrenze der geförderten Unternehmen leicht auszuhebeln: „Wenn jemand eine zwanzig Jahre alte Firma in ein neues Unternehmen überführt, dann gilt es als neues Unternehmen.“ Ähnlich verhalte es sich mit der Grenze für das Eigenkapital. „Unternehmer, die das gesamte Eigenkapital aus ihrer Firma herausziehen und vollständig durch Fremdkapital refinanzieren, müssen dank des Gesetzes nicht mehr 45 Prozent Steuern auf Gewinne bezahlen, sondern nur noch 25 Prozent Abgeltungsteuer“, warnt der Steuerfachmann. Diesen Weg würden deutsche Unternehmen dann gehen müssen, warnt Jarass: „Das Gesetz wird letztlich dazu führen, dass sich mittelständische Unternehmen genauso verhalten werden wie Hedgefonds.“

Die privaten Finanzinvestoren sind hingegen zufrieden mit dem Gesetzentwurf: „Es ist dringend notwendig, um die Beteiligungskapitalfinanzierung junger Unternehmen langfristig zu sichern“, sagte Dörte Höppner vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften der taz. „Es ist ein wichtiger Schritt, um die Rahmenbedingungen für Private Equity an international übliche Standards anzugleichen“, so Höppner.