Flimmerkiste: So schön bunt hier

Vor 40 Jahren wurden in Deutschland die TV-Bildschirme farbig. Was haben wir dem Farbfernsehen zu verdanken? Und was hat es uns eingebrockt?

Vico Torriani mit Anhang - in Farbe noch viel schöner!

Ohne Farbfernsehen wäre schon längst ein Schwarzer US-Präsident geworden.

Dank Farbfernsehen wissen wir, dass Gerhard Schröder sein Haar niemals gefärbt hat.

Ohne Farb-TV hätten wir gar nichts von Gorbatschows Naevus flammeus (dem roten Feuermal auf seiner Stirn) gehabt.

Wenn schon nicht den Untergang des Kommunismus, dann zumindest den der DDR: ohne Farbfernsehen keine Sehnsucht nach Levis, Persil und dem besseren Leben.

Dem Farbfernsehen haben wir die Erkenntnis zu verdanken, dass es einen Unterschied zwischen der französischen und der italienischen Flagge gibt.

Das Farbfernsehen hat den Grand Prix Eurovision entheiligt - in Schwarz-Weiß sah alles würdiger aus.

Es kam zu früh. Einige Sekunden. Eigentlich sollte der damalige Vizekanzler Willy Brandt mit einem Knopfdruck auf der Internationalen Funkausstellung die Farbe ins Fernsehbild bringen. Doch der Techniker im Übertragungswagen konnte es offenbar nicht abwarten: Er schaltete von Schwarz-Weiß auf Farbbild um, noch bevor Brandt den roten Knopf berührt hatte.

Das war vor genau 40 Jahren, am 25. August 1967. Trotz der kleinen Panne bei der Premiere waren die Besucher der Funkausstellung begeistert, "Ahs" und "Ohs" schallten durch die Messehalle. Nach den USA, Kanada und Japan war Deutschland das vierte Land mit farbigen Fernsehbildern. Die erste Sendung im neuen Look war "Der Goldene Schuss" mit dem Entertainer Vico Torriani. Kurz nach der Einführung in Westdeutschland zogen Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion nach; in der DDR wurde das Fernsehen am 3. Oktober 1969 bunt.

Doch bevor die kolorierte Fernsehwelt tatsächlich in die Wohnzimmer der Menschen gelangte, mussten noch ein paar Jahr vergehen. Zu Beginn gab es nur einige tausend verkaufte Geräte, die das PAL-System (Phase Alternating Line) empfangen konnten. Die meisten Deutschen guckten weiterhin in Schwarz-Weiß oder drückten sich an den Schaufenstern von Fernsehfachgeschäften die Nase platt. Farbfernseher waren Luxusartikel, die umgerechnet rund 1.000 bis 1.250 Euro kosteten. Doch mit steigender Nachfrage sanken die Preise. Im Juli 1969 waren von den über 15 Millionen TV-Geräten in der Bundesrepublik 450.000 Farbfernseher. Aber nicht nur für die Zuschauer war die neue Buntigkeit aufregend, auch für die Fernsehschaffenden. Schließlich sah man sich plötzlich in Farbe auf den Bildschirmen. Die Ansagerinnen erhielten die Anweisung, sich dezent zu kleiden. "Wir sollten Pastelltöne wählen", erinnert sich Karin Tietze-Ludwig, die ehemalige ARD-Lottofee. Die Farbe habe den Frauen vor der Kamera ziemlich viele Probleme mit ihrem Outfit beschert. "Es hieß, all das, was wir in Schwarz-Weiß getragen hatten, sei nicht mehr farbtauglich." JH

Olé Farbfernsehen: Wenn Bayern gegen Schalke spielt, können beide in Originaltrikots auflaufen (Rot gegen Blau).

Das Farbfernsehen hat den Galaabend der Schallplatte (mit Vivi Bach, Dietmar Schönherr, Nina Simone, Esther Ofarim und weitere VIPs) ermöglicht.

Ohne Farbfernsehen wüssten wir nicht, wie blau der Himmel über New York City am 11. September 2001 war.

Ohne Farbfernsehen gäbe es die Grünen nicht. Und vor allem nicht Claudia Roth!

Wie sehr hätten wir den knallblauen Haarturm von Marge Simpson vermisst?

Weniger jedoch den hässlichen Rotschopf von Boris Becker.

"Der Kommissar" blieb Gott sei Dank Schwarz-Weiß bis in die weiten Siebziger. Oder irrt sich die Erinnerungsspur?

In Farbe kamen alle Schrecklichkeiten des deutschen Fernsehens: "Schwarzwaldklinik", "Traumschiff", alle Afrikadramolette und viele andere.

In Schwarz-Weiß sahen Inge Meysel und die ihren in den "Unverbesserlichen" wesentlich nachkriegsgezeichneter aus.

Das Farbfernsehen ließ für ein paar Jahre aufleuchten: den roten Kopf von Jupp Heynckes ("Osram"). Und seit Jahrzehnten: den roten Kopf von Uli Hoeneß!

Ohne Farbfernsehen wären wir von albernen Werbeparolen wie "Strom ist gelb" und "Die Zukunft ist grün" verschont geblieben.

Nur dank Farbfernsehen wissen wir, dass es sich bei der blauen "Ersatzflüssigkeit" in der Bindenwerbung tatsächlich nicht um Blut handelte.

Ohne Farbfernsehen wüssten wir nicht, wie braun gebrannt unsere Volksvertreter aus dem Urlaub zurückkommen.

Ohne Farbfernsehen hätte Clementine nicht so sauber rein waschen können.

Dank Farbfernsehen ist es ein ganz besonderes Stilmittel, Schwarz-Weiß-Filme zu drehen ("Wow, wie mutig").

Erst das Farbfernsehen ermöglichte die Musikvideos der Achtzigerjahre.

Abba hätte ohne Farbfernsehen niemals den Grand Prix Eurovision 1974 im trashigen Brighton gewonnen.

Ohne Farbfernsehen könnte man unmöglich die Mainzelmännchen voneinander unterscheiden. Guten Aaaaaaaaabend!

Ohne Farbe auf dem TV-Bildschirm gäbe es noch mehr düster-depressive Krimis, nicht nur aus Skandinavien.

Ohne Farbfernsehen hätte der "Blaue Bock" eben in Schwarz-Weiß weitergemacht und uns garantiert nicht von der Volksmusik verschont.

Ohne bunte Bilder wäre Thomas Gottschalk vermutlich ein schwarze Rollkragenpulis tragender Deutschlehrer und dem deutschen Fernsehen eine Menge erspart geblieben.

Gäbe es kein Farbfernsehen, gäbe es heute keinen Schwarz-Weiß-Tag bei 3sat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.