ZDF-Journalist Frey: "Am Ende bleibt das Wort"

Selbstinszenierung von Politikern lenkt nicht von Aussagen ab, sagt Peter Frey. Der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios über bildstarke Orte, Phrasen und Kurt Beck.

"Soap Opera ist ein bisschen polemisch": Peter Frey, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Bild: dpa

taz: Herr Frey, Ihr nächster Sommerinterviewpartner ist Guido Westerwelle. Wie hart ist diese Nuss?

Frey: Er gehört jedenfalls zu den Politikern, die besonders redegewandt und gut im Umgang mit dem Medium Fernsehen sind.

Wobei sich auch andere medienerfahrene Politiker im Fernsehen offenbar nur schwer zum Reden bringen lassen.

Ihnen etwas Originelles zu entlocken, ist eine Herausforderung. Aber deshalb gibt es ja die Sommerinterviews. Wir erhoffen uns, dass in diesem ungewöhnlichen Format - nicht auf der Berliner Bühne, nicht im Studio - etwas durchrutscht, was unter der Kontrolle der Berliner Verhältnisse nicht passieren würde.

Eine oft geäußerte Kritik an den Sommerinterviews, die von ihrer Anlage her eigentlich besonders tiefe Erkenntnisse versprechen, ist aber, dass es dann doch oft bei Phrasen bleibt.

Ich finde es lustig, wenn die Sommerinterviews in den Feuilletons eher kritisch betrachtet werden, dann aber die Nachrichten, die wir erzeugt haben, am Montag und Dienstag die ersten Seiten und die Kommentare der Zeitungen beherrschen. Das lasse ich mir gerne gefallen. Beim Sommerinterview, das mein Kollege Peter Hahne vor zwei Wochen mit dem Bundespräsidenten geführt hat, äußerte der sich zu Wolfgang Schäubles Plänen. Das hat die Republik doch ein paar Tage bewegt, oder hat die taz Herrn Köhler nicht zitiert?

Doch. Aber was heißt etwa Kurt Becks Phrase "Wir werden unseren Weg klar gehen"?

Hat er das gesagt? Na gut, nach ein paar Jahren als politischer Journalist ist die Gefahr gegeben, dass man solche Sätze nicht mehr als Berlinsprech identifiziert. Das gelingt mal mehr, mal weniger. Aber ich glaube, dass das Format - wo im Fernsehen gibt es denn sonst noch eine so lange Eins-zu-eins-Situation? - eine große Intensität erzeugen und zu einem Stück Klarheit führen kann. Außerdem machen wir Fernsehen. Und da sind die Antworten oft im Gesicht abzulesen.

Sie treffen sich für die Interviews an Orten, die sich die Politiker für Wahlwerbung nicht schöner aussuchen könnten. Angela Merkel vor einer Kirche. Oskar Lafontaine in einem Stahlwerk. Stoiber auf einem Berg. Westerwelle auf Mallorca.

Wir glauben, dass durch die Art der - ich nehme das Wort in den Mund - Inszenierung, durch die persönlichere Umgebung, das Interesse an den Politikern und an der Politik gesteigert wird.

Es ist aber schon eine symbolträchtige Umgebung.

Nicht nur. Wenn wir Kurt Beck an der Mosel besuchen, ist er ziemlich bei sich. Und nach dem Interview setzt er sich aufs Fahrrad und radelt die Mosel runter. Da ist nichts Künstliches dabei. Wobei das Fernsehen natürlich immer etwas Künstliches hat. Eine Eins-zu-eins-Abbildung des Lebens gelingt natürlich nicht. Aber wir sind näher bei ihm als mit Schlips und Kragen in Berlin.

Wobei Edmund Stoiber nie wirklich auf einem Gipfel sitzt.

Doch. Stoiber ist Skiläufer, Bergwanderer und jedenfalls dabei auch mal ganz oben.

Wer wählt denn die Orte aus?

Die Politiker laden uns in ihre Urlaubsregionen ein, wir suchen dann einen möglichst typischen, bildstarken Ort aus. Das Stahlwerk war unsere Idee. Es stellte sich dann heraus, dass Lafontaines Mutter an der Kantinenkasse saß. Wenn sich aber jemand das Weiße Haus als Kulisse wünscht, um Weltläufigkeit zu demonstrieren, sagen wir auch mal: nein.

Die Orte sind dennoch auch Mittel der Politiker. Wird der Fernsehjournalismus hier auch instrumentalisiert?

Nein, denn wir bestimmen das Verfahren. Das Sommerinterview lebt davon, dass wir dorthin gehen, wohin die Politiker uns einladen, wodurch etwas Persönliches aufblitzt. Die Kanzlerin kennen wir als diskrete Frau, was das Private angeht. Dass sie uns dennoch ein Türchen geöffnet hat mit einem Blick auf die Kirche, um die sich ihr Vater kümmert, das zeigte doch ein Stück Erdung von Angela Merkel.

Oder eine Soap Opera.

Soap Opera ist ein bisschen polemisch, aber es stimmt, wir sind eine Fortsetzungsgeschichte: Bei Westerwelle frage ich weiter, wo ich mit Beck aufgehört habe, bei der Ampel. Wenn Sie sich unsere Settings genau angucken, sehen Sie, dass die Einstellungen so gewählt sind, dass man sich auf das Gesagte wirklich konzentrieren kann. Der Ort ist nur Schauplatz für ein kontroverses tagespolitisches Gespräch. Bei aller Inszenierung, am Ende bleibt das gesprochene Wort.

Wobei es aber immer noch sehr menschelt.

Es gibt eine menschliche Ebene, ja. Ich habe Kurt Beck gefragt, ob es ihm persönlich weh tut, dass er im Bundesgebiet noch nicht so ankommt wie in seinem Land. Das ist auch inhaltlich relevant. Und wenn er dann antwortet "Daran muss ich arbeiten", dann ist das für einen Spitzenpolitiker ein ziemlich klares Eingeständnis, das man nicht in jedem Interview von ihm hört.

Was bedeutet der Satz?

Das heißt "Ich bin noch nicht auf der Bundesebene angekommen". Ich glaube auch, dass meine Frage an ihn, ob er das Problem der SPD sei, so direkt nur in wenigen Formaten gestellt werden kann.

Sie haben einmal gesagt, dank Ihrer Auslandstätigkeit als Korrespondent sähen Sie Berlin mit einer gewissen Distanz. Was sehen Sie da?

Berlin ist nicht die Republik. Dieses Konglomerat aus Politik, Medien, Glamour formt eine eigene Welt. Man gehört als Journalist dazu, muss aber auch die Distanz wahren. Je länger man's macht, desto schwieriger wird das.

Und die Sommerinterviews sind Teil dieser Welt?

Das sollen sie nicht sein. Gerade im Gegenteil.

INTERVIEW: KLAUS RAAB

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