Afghanistan: Verwirrspiel um die Geiseln

Nach dem Tod einer deutschen Geisel bemühen sich die Regierungen in Berlin, Seoul und Kabul um die Freilassung von einem weiteren Deutschen und 23 Südkoreanern.

Ein afghanisches Krankenfahrzeug transportiert die Leiche der ersten deutschen Geisel nach Kabul. Bild: dpa

Das Verwirrspiel um die Geiselnahme zweier Deutscher in Afghanistan geht weiter: Nachdem die Taliban zunächst verkündet hatten, beide Deutschen seien erschossen worden und nachdem am Wochenende die Leiche eines der beiden Entführten gefunden wurde, hieß es gestern, der zweite in Afghanistan entführte Deutsche sei am Leben. "Der Deutsche und vier afghanische Geiseln, von denen wir gesagt haben, dass sie getötet wurden, sind noch am Leben", sagte Taliban-Sprecher Jusuf Ahmadi am Telefon der Nachrichtenagentur AFP. Als Gegenleistung für die Freilassung der Entführten verlangte Ahmadi die Freilassung von zehn inhaftierten Talibankämpfern. Geschehe dies nicht, würden die Geiseln getötet.

Die Deutschen Rüdiger D. und Rudolf B. waren am Mittwoch etwa 100 Kilometer südwestlich von Kabul verschleppt worden. Ziel der Entführung waren möglicherweise jedoch nicht die beiden Ausländer, sondern der Geschäftsmann Eschak Nursai, den sie zu einem Bauprojekt begleitet hatten. Nursai - ein Verwandter eines hochrangigen Kabuler Politikers - ist inzwischen wieder in Freiheit. Nach seinen Aussagen ist Rüdiger D. zu Beginn der Entführung bei einem Marsch in die Berge zusammengebrochen. Kurz darauf hätten die Geiselnehmer auf die am Boden liegende Geisel geschossen. Offen blieb, ob D. schon tot war oder durch die Schüsse starb. Die Leiche des Deutschen wurde am Wochenende gefunden und gestern nach Deutschland überführt. Hier soll eine weitere Obduktion Aufschluss über die Todesursache liefern.

Widersprüchliche Berichte gab es gestern auch im Fall der 23 in Afghanistan verschleppten Südkoreaner. Ein Abgeordneter in der südlichen Provinz Ghasni, wo die Geiseln am Donnerstag entführt worden waren, erklärte, die Taliban verlangten die Freilassung aller ihrer Mitglieder in regionalen Gefängnissen. Dies wies Taliban-Sprecher Ahmadi zurück: Man fordere weiterhin einen Austausch der Christen gegen 23 inhaftierte Kämpfer. Das Ultimatum war am Sonntag um 24 Stunden verlängert worden. Sollte die Regierung nicht darauf eingehen, hätten die Taliban keine andere Wahl, als die Südkoreaner zu töten, so Ahmadi.

Der stellvertretende afghanische Innenminister Abdul Chalik erklärte hingegen, man werde keinen Deal akzeptieren, der sich gegen die Interessen des Landes oder die Verfassung richte. Er schloss eine Freilassung von Gefangenen aber nicht grundsätzlich aus. Bereits am Sonntag wurden nach Angaben der afghanischen Regierung Vorbereitungen für eine militärische Befreiungsaktion getroffen.

Auch die Regierung in Seoul bestätigte, man halte über verschiedene Kanäle "indirekten oder direkten" Kontakt zu den Geiselnehmern. Südkorea hat 200 Soldaten in Afghanistan stationiert, deren Rückzug bis zum Jahresende bereits geplant ist. Gestern hat die südkoreanische Regierung ein Reiseverbot nach Afghanistan verhängt. Gleichzeitig kündigte die Saemmul-Gemeindekirche, für die die südkoreanischen Geiseln tätig waren, die Einstellung ihrer Tätigkeit in Afghanistan an.

Vertreter der Regierungsparteien in Berlin forderten gestern eine Verstärkung des deutschen Engagements in Afghanistan. Der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), verlangte eine verbesserte Ausbildung der afghanischen Armee: "Wenn hierfür mehr Truppenteile benötigt werden, dann findet das meine Sympathie." Bundesaußenminister Frank-Walter-Steinmeier (SPD) hatte unlängst eine Verstärkung des deutschen Militäreinsatzes zur Ausbildung afghanischer Soldaten angeregt und dabei die Entsendung deutscher Ausbilder in den umkämpften Süden des Landes nicht ausgeschlossen. Die Forderung nach mehr deutschen Soldaten erneuerte gestern auch der Kommandeur der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf - und frühere Oberkommandierende der US-geführten Operation Enduring Freedom - Dan McNeill. Ein bis zwei zusätzliche Bataillone wären "einfach eine hervorragende Ergänzung", so McNeill im ARD-Hörfunk.

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