Zweitliganeuling: Hoffnung in Hoffenheim

Die TSG Hoffenheim startet mäßig in die Zweitliga-Saison. Das können die Dorffußballer verschmerzen. Warum nur?

Hoffenheim hat zwar nur 3.300 Einwohner - aber demnächst eine Fußballarena für 40 Millionen Euro. Bild: dpa

HOFENHEIM taz Kurz nach Anpfiff war es so weit: Ermüdet von den Schmähungen der Gästefans zückte der in der Tat sehr überschaubare Hoffenheimer Fanblock die scharfe Waffe der Selbstironie: "Hurra, das ganze Dorf ist da", trällerte man. Was bei 6.350 Zuschauern eine charmante Übertreibung ist: Hoffenheim hat lediglich 3.300 Einwohner, einer davon, SAP-Gründer Dietmar Hopp, ist jedoch so reich, dass der Dorfklub nach Meinung einiger Experten bald mit Deutschlands Spitzenklub die Meisterschaft ausspielen wird. Allerdings macht erst der Respekt der Konkurrenz den Goliath zum Goliath. Mainz-Trainer Jürgen Klopp hält das Team bereits jetzt für einen Aufstiegsfavoriten. Robin Dutt, der mit dem SC Freiburg am kommenden Montag auf den Aufsteiger trifft, glaubt sogar, der Verein werde "in einigen Jahren auf Augenhöhe mit dem FC Bayern sein".

Doch bis dahin ist es noch eine Weile hin, am Sonntag verlor die TSG, die sich zu Saisonbeginn in 1899 Hoffenheim umbenannte, um Tradition zu suggerieren, mit 0:3 gegen 1860 München. Nicht nur bei den Gegentoren durch Antonio di Salvo (33.), Fabian Johnson (38.) und Danny Schwarz (Nachspielzeit) zeigte man Schwächen in der Abwehr. Doch so schlecht, wie das Spiel der Gastgeber in der Pressekonferenz wegkam, war es bei weitem nicht. Spielerisch zählt der Aufsteiger bereits jetzt zu den Bereicherungen der Liga. Francisco Copado und Neuzugang Isaac Vorsah überragten selbst gegen die starken Löwen. In den vorangegangenen Spielen gegen Wehen und Gladbach zeigte das Team eine Leistung, die zumindest auf oberem Zweitliganiveau liegt. Die meisten Spieler sind schnell, technisch versiert und mit hohem Spielverständnis ausgestattet. Das sind keine schlechten Voraussetzungen für attraktiven Fußball. Dass Worte wie "Fehlstart" und "Blamage" nach dem Spiel dominierten, bildet daher weniger die Realität ab als eine Erwartungshaltung, die der Klub mit dem Riesenetat selbst geschürt hat.

Fraglos hat es hierzulande noch nie einen Verein gegeben, der mit so finanziellem Nachdruck seine Ambitionen in die Tat umzusetzen versuchte. Im nahen Sinsheim entsteht derzeit eine prachtvolle Arena, in der der Verein ab Januar 2009 seine Heimspiele austragen wird. Darüber, wie man die Baukosten von 40 Millionen Euro stemmen kann oder wie sich ein solches Projekt für einen Verein mit gerade einmal sechs Fanclubs je refinanzieren soll, würde man sich bei jedem anderen Verein Gedanken machen. Nicht so in Hoffenheim, wo "Vadder Hopp" als Unfallversicherung fungiert.

Allerdings wäre es zu einfach, das Phänomen Hoffenheim nur auf die Millionen seines Präsidenten zu reduzieren. Die Weltstars, die mancher der TSG 1899 schon unterjubeln wollte, sucht man vergeblich im Kader. Mit Aliaksandr Iashvili (jetzt KSC) und Sascha Rösler (Gladbach) entschieden sich Wunschspieler von Ralf Rangnick gegen Hoffenheim. Der Coach selbst hat die Absagen auch mit einem lachenden Auge registriert. Er will sich nicht dem Verdacht aussetzen, ein Team zu trainieren, mit dem auch ein schlechter Trainer Erfolg hätte. Auch deshalb weist er unermüdlich darauf hin, dass sein Team zu den jüngsten der Liga zählt. Das gelte auch für den Nigerianer Edu, der am gestrigen Montag als weiterer Neuzugang vorgestellt wurde. Auch er ist erst 21 Jahre alt.

Zum Konzept von Rangnick gehört es auch, das hochkarätigste Funktionsteam der Republik zu beschäftigen. Jürgen Klinsmann hatte noch mittelschwere Erschütterungen ausgelöst, als er mit dem damaligen Hockeybundestrainer Bernhard Peters und dem Psychologen Hans Dieter Hermann Spezialisten an die Nationalmannschaft binden wollte. Heute arbeiten beide in Hoffenheim - ebenso wie Cotrainer Achim Sarstedt und Torwarttrainer Philipp Laux, die als unumstrittende Fachleute gelten. Und da wäre noch die Nachwuchsarbeit des Zweitligisten, die bundesweit als vorbildlich gilt.

Das Experiment 1899 Hoffenheim ist aberwitzig kostspielig. Das kann man unsympathisch finden. Und dennoch: Wer nicht gespannt ist, was die Leute um Ralf Rangnick und Bernhard Peters in den nächsten Jahren noch alles zu Stande bringen, hat wohl kein echtes Interesse an Fußball.

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