Altersarmut: Jeder Dritte wird knapsen

Ein Drittel der Arbeitnehmer erwartet ab 2030 eine Rente unter Hartz-IV-Niveau, so der Sozialverband Deutschland. Er fordert mehr Mindestsicherung.

Senioren in Deutschland Bild: dpa

BERLIN taz Die Berliner Kunsthistorikerin hat jahrelang schlecht bezahlt in einem Verlag gearbeitet. Jetzt hangelt sie sich mit freiberuflichen Aufträgen durch und schaut mit ihren 45 Jahren sorgenvoll in die Zukunft - denn Altersarmut wird gerade die heute Jüngeren künftig noch stärker treffen als die gegenwärtigen Rentner. Dies belegt eine am Donnerstag vorgelegte Hochrechnung des Sozialverbandes Deutschland (SoVD).

Gut jeder dritte Arbeitnehmer steuert nach Schätzung des Sozialverbandes auf Armut im Rentenalter ab 2030 zu. Nach den Rentenreformen der letzten Jahre, die teilweise erst für die heute unter 45-Jährigen greifen, werde es Geringverdienern auch mit 45 Beitragsjahren nicht gelingen, eine "armutsvermeidende Rente" zu erzielen, erklärte gestern Verbandspräsident Adolf Bauer. Dies beträfe 35 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten. Die Grenze für diese Rente bezifferte der Verband auf 650 Euro im Monat.

Aber auch für Durchschnittsverdiener bestehe eine Gerechtigkeitslücke, so Bauer. Ein Durchschnittsverdiener, der im Jahr 2030 in Ruhestand gehe, müsse rund 37 Beitragsjahre aufweisen, um eine armutsvermeidende Rente zu erzielen, die unterhalb oder nur knapp über dem Grundsicherungsniveau liege. Dies aber untergrabe das Vertrauen und die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Grundsicherung erhalte auch, wer keine Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt habe.

Die sogenannte "Grundsicherung im Alter" besteht wie das Arbeitslosengeld II aus dem Regelsatz von 345 Euro plus angemessenen Mietkosten. Sie wird unabhängig von der früheren Berufstätigkeit dann gewährt, wenn Menschen über 65 Jahren keinen ausreichenden Rentenanspruch erworben haben.

Zur Vermeidung der Altersarmut forderte der Sozialverband unter anderem eine "Mindestsicherung" für langjährig Beschäftigten. Diese Mindestsicherung müsse garantieren, dass auch langjährig Vollzeitbeschäftigte mit unterdurchschnittlichem Verdienst im Alter eine armutsfeste Rente erhielten. Es dürfe nicht sein, dass Menschen, die jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt haben, im Alter wegen einer zu geringen Rente auf aufstockende Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen seien. Vor Gewährung der Grundsicherung wird eine Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt.

Kürzlich hatte schon die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) vor wachsender Altersarmut in Deutschland als eine Folge der Rentenreformen gewarnt. Danach bekommen in Deutschland Leute, die nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens verdienen, im Alter die proportional geringste Rente im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern.

Das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hat zudem festgestellt, dass immer weniger Deutsche heute schon bis zur Rente arbeiten, obwohl das durchschnittliche Rentenalter steige. Die Zahl derer wachse, die aus der Arbeitslosigkeit in Rente gehen, so das IAQ.

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