Zentralasien-Strategie: Zu viel Rücksicht auf Despoten

Unter der deutschen Präsidentschaft gelang es der EU nicht, eine schlüssige Strategie für Zentralasien zu entwickeln. Der Grund: Steinmeier nimmt zu viel Rücksicht auf Usbekistan

Im Mai 2005 gingen usbekische Soldaten in Andischan in Stellung. Kurz darauf eröffnen sie das Feuer auf Aufständische. Bild: ap

ALMATY taz Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier präsentiert die EU-Zentralasienstrategie am Samstag in Berlin. "Eine neue Partnerschaft" zwischen Europa und der an Despoten und Rohstoffen reichen Region zwischen chinesischer Grenze und Kaspischem Meer ist das Ziel. Steinmeier stellt zusammen mit dem portugiesischen Kollegen und dem EU-Sondergesandten für die Region im Beisein der Vertreter aller fünf zentralasiatischen Staaten das Konzept vor.

Das Papier ist ein Gemischtwarenladen der gängigen Themen wie Terrorismusbekämpfung, Ausbildungsförderung, Rechtstaatlichkeit, Drogenbekämpfung, Diversifizierung der Rohstoffwege von Zentralasien nach Europa sowie ein Menschenrechtsdialog.

"Der Berg hat eine Maus geboren", zeigt sich Alain Délétroz, Vizepräsident der "International Crisis Group", enttäuscht. Die Strategie der Europäischen Union zu Zentralasien leide daran, nichts Strategisches formuliert zu haben.

Seit einem Jahr feilen deutsche Diplomaten fieberhaft an der Idee, die Zusammenarbeit zwischen Europa und Zentralasien auf neue Füße zu stellen. Die neue Strategie sollte eines der Glanzstücken der am 30. Juni endenden deutschen EU-Präsidentschaft werden.

Der neue Ansatz hat indessen einen bedeutenden Konstruktionsfehler. Steinmeier und Staatsminister Gernot Erler bestanden darauf, dass ohne das bevölkerungsreichste Land Usbekistan eine Zentralasienstrategie nicht denkbar sei. Aus dieser Logik heraus versuchten deutsche und europäische Diplomaten bis zur Selbstverleugnung die Regierung in Taschkent mit ins Boot zu holen.

Bürger vor den Opfern des Militärmassakers vom Mai 2005. Bild: ap

Seit dem Massaker von Andischan befinden sich die Beziehung zwischen Europa und Usbekistan auf dem Tiefpunkt.

Am 13. Mai 2005 ließ der usbekische Präsident Islam Karimow in Andischan einen Volksaufstand blutig niederschießen. Die EU verhängte daraufhin im Oktober 2005 Sanktionen gegen das Land und forderte eine internationale Untersuchung. Dem widersetzt sich Karimow bis heute.

Steinmeier erklärte auf seiner Zentralasienreise im November 2006, dass die Strafmaßnahmen bei erkennbarem Reformwillen aufgehoben werden könnten. Usbekistan stellte sich aber taub. Die mit Usbekistan vereinbarten zwei Expertengespräche zu Andischan blieben fruchtlos. "Das einzige gute Resultat des zweiten Andischan-Treffen ist, dass es kein drittes geben wird", zitierte im April der EU-Observer einen frustrierten EU-Diplomaten.

Als im März in der kasachischen Hauptstadt Astana sich die EU-Troika unter der Führung von Steinmeier zum ersten Mal mit den zentralasiatischen Ministern traf, kam es zum Eklat. "Wir verbieten uns jegliche Einmischung", schimpfte der usbekische Außenminister Waldimir Norow und fügte hinzu, dass man in Asien und nicht in Europa sei. Die EU-Sanktionen wurden im Mai verlängert.

Berlin und Brüssel hatten trotz der zeitraubenden Störmanöver aus Taschkent nicht den Mut die Strategie ohne Usbekistan aufzumachen. Dabei begann das neue Jahr in Zentralasien vielversprechend. Am 21. Dezember 2006 starb der turkmenische Präsident Sapamurad Nijasow, der das rohstoffreiche Land am Kaspischen Meer über zwanzig Jahren mit einem absurden Personenkult überzogen hatte. Der Reformwillen der neuen turkmenischen Führung ist zwar gering, gleichwohl sendet Aschgabat Signale, dass man aus der Isolation heraus wolle. In Kasachstan boomt dank der hohen Rohstoffpreise die Wirtschaft. Dessen Bevölkerung erfreut sich auch vor dem Hintergrund des usbekischen Regime relativer ökonomischer und politischer Freiheiten. Angefeuert von der wirtschaftlichen Stärke strebt Kasachstan 2009 den OSZE-Vorsitz an. Die wirtschaftlich angeschlagenen Staaten Kirgistan und Tadschikistan bedürfen dagegen deutliche EU-Hilfen. Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan haben ein Interesse an der Kooperation mit Europa. Am Samstag sind die Außenminister dieser drei Staaten dann auch vertreten, während der usbekische Minister Norow lediglich den Stellvertreter schickt.

Der Reibungsverlust mit Usbekistan hat Europa und Deutschland während der deutschen Präsidentschaft davon abgehalten, die Zusammenarbeit mit den kooperationswilligen Staaten Zentralasiens in konkretere Bahnen zu lenken.

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