EU-Werbung: Die Liebe und ihre Feinde

Ein EU-Werbespot aus Sexszenen erregt nur konservative Gemüter - sonst nichts. Für andere Regungen ist er zu zahm.

Szene aus dem Clip "Amour 2" Bild: screenshot

Mit einem Skandälchen hat sich der neue YouTube-Kanal der Europäischen Union unerwartete Popularität verschafft. Ein paar EU-Mitarbeiter hatten sich getraut, den Schlipsknoten mal ein bisschen zu lockern. Für eine Werbekampagne des EU-Filmförderprogramms MEDIA schnitten sie Szenen aus preisgekrönten europäischen Filmen zusammen, zu emotionalen Themen wie Liebe, Trauer, Freundschaft - und Sex.

Im Clip, der bei YouTube unter "Film Lovers Will Love this" läuft, werden in 44 Sekunden 18 Liebesszenen gezeigt. Hektisch werden da Klamotten vom Leib gerissen, es wird ein wenig gestöhnt und das Geschirr wackelt im Takt der Körper. Alles mit viel Witz und ohne dass ein Fitzelchen jugendgefährdendes Fleisch zu sehen ist. Die Werbefilme waren im Februar auf der Berlinale gezeigt worden und sind seitdem auch auf den entsprechenden EU-Seiten zu sehen. Mitte Juni wurden sie - noch immer unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit - auf YouTube gestellt.

Erst als am 29. Juni der EU-YouTube-Kanal offiziell eröffnet wurde, entdeckten britische Blätter den Stein des Anstoßes unter den knapp 50 präsentierten Videos - weltweite Medienaufmerksamkeit folgte. Zumeist handelte es sich um sachliche, leicht amüsierte, vorwiegend positive Berichterstattung. Von konservativer Seite wurde jedoch auch ernsthafte Sorge - bis hin zur Verdammung des Spots als "Pornografie" - geäußert. Im harmlosen Fall wurde der Untergang der europäischen Kultur befürchtet, weil das Filmchen zu locker und oberflächlich daherkommt - die ganz Harten sahen eine "sozialistische Diktatur" im Anzug, inklusive moralischen Verfall. Übel stoßen die leider fast schon zu erwartenden Beschwerden aus Polen über das homosexuelle Paar auf, das sich ganze zwei Sekunden durch den Spot wälzt.

Godfrey Bloom, Mitglied des Europäischen Parlaments von der europakritischen britischen Independence Party, meint, das Video sei so peinlich "wie einem älteren Verwandten zuzuschauen, der versucht cool zu sein". Peinlich? Das gilt allerdings eher für den Lehrfilmcharakter der anderen bei YouTube präsentierten Videos zu EU-relevanten Themen von Immigration bis zu epochalen Veränderungen auf dem Zuckermarkt, die junge Zuschauer wohl kaum für Europa begeistern werden.

Der reflexartige Aufschrei, dass für so etwas Albernes respektive Geschmackloses oder - oh, mein Gott - Unanständiges ja wieder Steuergelder verschwendet würden, führt allerdings völlig in die Leere. Eher hat hier die EU mal ein Lehrstück für billige, effektive Werbung abgeliefert: Die Filme - aus vorhandenem Material geschnitten - kosteten je 350 Euro. Innerhalb einer Woche sahen mehr als 3 Millionen User den "Sex"-Clip. Ein traurigeres Schicksal fristet da das einsame Video auf dem YouTube-Kanal der britischen Regierung. Seit Februar hat es noch keine 300 Zuschauer gefunden.

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