Kommentar: Aufforderung zu zivilem Ungehorsam

Um brutale Abschiebung per Flugzeug zu verhindern, protestiert das Air France-Personal zu Recht. Adressaten sind Aktionäre und Passagiere

In Flugzeugen von Air France zeigt sich Frankreich derzeit zugleich von seiner schlechtesten und seiner besten Seite: Es geht um die Durchsetzung der neuen Abschiebepolitik der französischen Regierung. Seit Paris "Einwanderung" wie eine Unternehmensbilanz managen will und unabhängig von den menschlichen und politischen Verhältnissen Abschiebebilanzen für ein Jahr fixiert, sitzen auf den hinteren Reihen der Flugzeuge immer häufiger gefesselte, geknebelte und geschlagene PassagierInnen. Sie sind eingezwängt zwischen PolizistInnen, die verhindern sollen, dass sie auf sich aufmerkam machen. Auf den vorderen Reihen sitzen PassagierInnen, die ganz unterschiedlich reagieren. Manche halten Augen und Ohren zu. Andere stehen auf, um nicht zu Komplizen von Zwangstransporten zu werden. Wieder andere lassen sich auf Handgreiflichkeiten ein.

Zwischen allen Fronten in der Kabine steht das Personal von Air France. Die Beschäftigten befinden sich in einem schwierigen Konflikt: Einerseits haben sie persönliche, politische und gewerkschaftliche Überzeugungen, andererseits sind sie gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet. Am Ende muss der Pilot entscheiden, ob er abhebt. Er ist der Chef an Bord, seinem Wort muss sich auch die Abschiebepolizei fügen. Die französische Regierung hat die letzte - und oft sehr brutale - Phase ihrer Abschiebepraxis in den engen Raum von Flugzeugkabinen delegiert. An einen Ort, wo die die wichtigsten Personen, die Beschäftigten von Air France, wegen ihrer dienstlichen Verhältnisse nur eingeschränkt frei agieren können.

In der privatisierten Gesellschaft Air France sind die AktionärInnen die angemessenen AdressatInnen für den Appell der Gewerkschaften. In der Aktiengesellschaft sind die KapitalgeberInnen die oberste Autorität, nicht der französische Staat. Die zweiten AdressatInnen für den Appell gegen die Zwangsabschiebungen sind die Flugpassagiere. Sie dürfen sich zu zivilem Ungehorsam aufgefordert fühlen und dazu, die Wahl ihrer Fluggesellschaft davon abhängig zu machen, ob sie im Staatsauftrag abschiebt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.