USA: "Bushs Kuba-Politik ist ein Flopp"

Das Weiße Haus ist unfähig, eine flexiblere Haltung gegenüber Castros Kuba zu entwickeln. Dabei sind die US-Bürger mehrheitlich dafür, sagt die Politologin Julia Sweig

Gefangen genommen: Exilkubaner nach der missglückten Schweinebuchtinvasion Bild: dpa

taz: Frau Sweig, was würde in Washington passieren, wenn Fidel Castro zurück an die Macht käme?

Julia Sweig: Nichts. Die USA haben ihre Kubapolitik überhaupt nicht geändert, obwohl Fidels Bruder Raúl das Steuer übernommen hat. Allerdings ist mit der neuen demokratischen Mehrheit im US-Kongress wieder ansatzweise eine Politikdebatte über Kuba eingezogen.

Warum hat die US-Regierung ihre Haltung zu Kuba nach Fidels Rückzug vor einem Jahr keinen Millimeter verändert?

Weil wir Kuba nicht verstehen. Wir nehmen an, dass in Kuba keine Politik stattfindet. Wir glauben das, nur weil es ein repressives Ein-Partei-Regime ist. Doch die kubanische Regierung besitzt zu Hause immer noch eine gewisse Legitimität. Und Castro und seine Garde sind Politiker, die ihr Volk sehr gut verstehen. Sie sind meisterhaft darin, mit Erwartungen und Stimmungen der Bevölkerung umzugehen. Daher gab es nach dem Rückzug Castros auch keine Unruhen. Wir Amerikaner haben feststellen müssen, dass die Kubaner auch ohne den Máximo Líder gut klarkommen.

Woran liegt das? Nur an der Unterdrückung? Oder auch an der Skepsis der Kubaner gegenüber allem, was nach dem Castro-System kommen kann?

Nach Castros Erkrankung war die Stimmung keineswegs so, dass sich die Leute sagten: Jetzt hat der alte Hexenmeister endlich das Haus verlassen, lasst uns zum Aufstand blasen. Das rührt einerseits aus einer irgendwie gearteten persönlichen Beziehung her, die viele Kubaner zum Máximo Líder haben. Selbst bei jenen, die ihn hassen. Dann ist da sicherlich auch die Angst vor dem Geheimdienst sowie ein tief sitzender Konservatismus, der kaum jemanden nach schnellen, großen Veränderungen lechzen lässt. Der Kollaps der Sowjetunion und dessen Folgen hat nur wenig Lust darauf gemacht.

Müssen die Kubaner Angst vor den USA haben, zum Beispiel vor den milliardenschweren Forderungen enteigneter Exilkubaner nach Rückübertragung und Entschädigung?

Das in den USA gültige Helms-Burton-Gesetz besagt, dass Enteignete vor US-Gerichten auf Rückübertragung ihres früheren Besitzes klagen können. Aber genau dieser Paragraf wird im Kongress seit zehn Jahren alle sechs Monate erneut für ausgesetzt erklärt. Der Gesamtwert der verstaatlichten Besitztümer auf Kuba ist so gigantisch, dass Kuba die ehemaligen Besitzer mit keinem Megakredit des Währungsfonds entschädigen könnte. Käme es zu einer Annäherung zwischen Washington und Havanna, sehe ich nicht, dass die US-Regierung die Immobilienfrage als Priorität behandeln würde. Denn das würde einen Dialog von Anfang an behindern.

Wie könnte nach Jahrzehnten des Kalten Kriegs eine Annäherung zwischen den USA und Kuba überhaupt aussehen?

Unilateral. Die USA müssen auf Kuba zugehen, anders wird es nicht gehen. Seitdem Venezuela Kuba unterstützt, floriert die kubanische Wirtschaft. Gegenwärtig wächst sie um erstaunliche acht Prozent. Die Botschaft ist, Kuba braucht die USA gar nicht. Das verringert auf der Insel natürlich die Kompromissbereitschaft sehr stark.

Die Vereinigten Staaten haben sich zwischenzeitlich selbst gegenüber Nordkorea flexibler und versöhnlicher verhalten als gegenüber Kuba. Ist es denn sinnvoll, wenn die US-Regierung gegen Kuba noch immer den Kalten Krieg fortführt?

Unsere Strategie gegenüber Kuba ist ein totaler Flopp: Die US-Sanktionen sind erfolglos, Kuba handelt mit und unterhält diplomatische Beziehungen zu rund 160 Ländern. Dafür haben wir keinerlei positive Einflussmöglichkeiten auf die Insel vor unserer Haustür. Im Gegenteil. Mit unserem Druck befähigen wir das Regime sogar, sich mit einer nationalistischen Selbstschutzrhetorik zu legitimieren. Dabei wäre es im ureigensten US-Interesse, mit all unseren Nachbarn Handel zu treiben und Tourismus zu pflegen.

Wenn der US-Kongress eine neue Kuba-Strategie entwickeln würde - hätte die Politik die Unterstützung der US-Bevölkerung?

Aber ja. Jüngsten Umfragen zufolge sind 55 bis 65 Prozent der US-Bürger für eine Annäherung an Kuba. Aber von der Bush-Regierung ist in dieser Hinsicht gar nichts mehr zu erwarten.

Warum? Die einst so einflussreiche Lobby der Exilkubaner in Florida ist doch längst zerstritten.

Sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei sind unverständlicherweise weiterhin der Ansicht, dass ohne den Segen der Hardliner keine neue Kuba-Politik zu machen sei. Dabei hat Fidel Castros Krankheit die Gemeinden in Miami ziemlich gespalten. Außerdem findet dort gerade ein Generationenwechsel statt. Für die Jüngeren hat der Boykott Kubas einfach keine Priorität mehr. INTERVIEW: ADRIENNE WOLTERSDORF

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