Anne Will: Die nüchterne Kanone

Momentan wird über die designierte Polittalkerin Will viel geschrieben, ohne ihr näherzukommen.

Am alten Arbeitsplatz kennen wir sie alle. Aber wie wird sie sich als Polittalkerin machen? Bild: dpa

BERLIN taz Heute präsentiert Anne Will, designierte Nachfolge-Göttin auf dem deutschen Polittalk-Thron, sich, ihre Sendung und ihr neues Studio in Berlin-Adlershof. So viel können wir schon verraten: Die Grundfarben sind Rot, Braun und Beige.

Viel zu lesen war schon in den letzten Tagen über die 41-jährige Journalistin, doch wenig war dabei, was einem die eigentlich sympathische Rheinländerin wirklich näher gebracht hätte. Dass sie in einem kleinen Ledersessel sitzt, "im Schein einer Lampe, die zwei Meter groß ist, aber aussieht wie eine dieser Schreibtischlampen", wusste die Süddeutsche zu berichten und überlegte "einen Moment, was in dem Bild nicht stimmt, und ob die Lampe zu groß ist oder der Mensch darunter zu klein". Im aktuellen Spiegel ist zusätzlich zu erfahren, dass "Anne Wills Beine schlanke, gebräunte, 24 Jahre lang gestählte Werkzeuge" sind. Beine, "auf denen sie stundenlang über den Asphalt von Berlin-Mitte laufen kann" und Spiegel-Reporterin Rebecca Casati kaum mitkommt. "Fein" sei das Attribut, das am besten zu ihr passe, schreibt Casati: "Nicht nur, weil sie es selber gern sagt."

Dafür stehen in der Welt am Sonntag über "Die vielen Gesichter der Anne Will" Sätze wie diese: "Und dann gibt es noch jenes andere Gesicht, das kühl und abweisend ist und nur eines ausdrückt: Ablehnung. Zum Termin bittet sie, ohne Fotograf zu erscheinen."

Auch beim Stern findet man Anne Will derzeit nicht fein, sondern ist nachgradig vergrätzt: Das für die morgen erscheinende Ausgabe geführte Interview mit Anne Will erscheint nicht, wie man in Hamburg bestätigt. "Zäh und verspannt" sei schon der Termin mit Will gewesen, in der zur Freigabe vorgelegten Fassung habe das Will-Team dann "jedes bisschen Profil und Chuzpe gestrichen", sagt Silke Müller, Stern-Ressortleiterin Kultur und Unterhaltung: "Die scheinen ungeheuer nervös zu sein."

Bei Anne Wills Firma "Will Media", die am 16. September mit "Anne Will" Premiere hat, wird das Nicht-Erscheinen des Stern-Interviews nüchtern bestätigt - und sich über das plötzliche Interesse daran gewundert: "Es gab ein Interview, und das erscheint halt nicht", sagt Wills PR-Frau Steffi Würzig. Das ginge so auch ganz in Ordnung - schließlich geht es nur um eine politische Talk-Show, deren das Erste demnächst mit dem Einzug von Frank Plasberg ins Hauptprogramm gleich zwei hat. Es kann dem Programm nur gut tun.

Doch warum gibt sich die politische Journalistin Will "politisch so was von zurückhaltend", wie Silke Müller fragt, warum hat sie es nötig, Interviews "glattzubügeln"? Es wäre doch schade, wenn aus Will am Ende "ein Konsensmäuschen" würde.

Dass dies mit der "besten Interviewerin der ARD-'Tagesthemen'" (Thomas Hinrichs, zweiter Chefredakteur von ARD aktuell) geschieht, ist in der Tat nicht wirklich vorstellbar. Für ihr hartnäckiges Nachfragen erhielt Will Respekt und den Hajo-Friedrichs-Preis. Dem damaligen Kanzler Schröder nötigte sie 2005 trotz dessen Beharrens auf der Absprache, ausschließlich über Außenpolitik zu sprechen, einige dürre Sätze zur Vertrauensfrage und zum vorgezogenen Wahltermin ab.

Doch irgendwo auf der Strecke zwischen dem Hype um die Absage des ursprünglich als Nachfolger von Sabine Christiansen vorgesehenen Günther Jauch und dem Sendestart übernächste Woche scheint Will, ihrem Team - oder allen gemeinsam - jetzt diese Chuzpe, Gelassenheit und Souveränität abhanden gekommen zu sein.

In der ARD selbst wird sie dazu noch auf eine Art und Weise belobhudelt, dass selbst hartgesottenen "Beckmann"-Beobachtern die Tränen kommen: "Jetzt wird Berlin erobert - und auch die Politik", wanzte sich Moderator Reinhold B. am späten Montagabend an die "liebe Anne Will" heran. Und die sagte artige Sätze wie den, dass Sabine Christiansen ja "wahnsinnig erfolgreich gewesen sei". Immerhin, diese eine kleine Gemeinheit schob sie hinterher: Sie habe zwar auch nur die Möglichkeiten, die Christiansen auch hatte, "aber ich bin schon anders darin, dass ich zuhören, nachfragen, nachhaken werde". Die Anmerkung Beckmanns, sie gelte bei ihren Kollegen als "Perfektionistin", wurde dagegen eher aalglatt pariert: Sie habe eben "hohen programmatischen Anspruch", sagte Will. Und beantwortete dafür lieber Beckmanns Frage, wem sie mehr vertraue - dem Papst oder Angela Merkel: Der Kanzlerin, sagte Will, denn den Papst habe sie ja noch nie getroffen.

"Ich kann das nur gut machen, wenn ich ruhig bleibe", sagt Anne Will in der Süddeutschen über ihren neuen Job. Hoffen wir, dass sich bis zum Sonntag kommender Woche reichlich Ruhe einstellt. Es wäre schade drum. Und: Es geht wirklich nur um einen Polit-Talk.

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