Kommentar Mindestlohn: Die Lernblockade der SPD

Ihr Versuch, Mindestlohn gegen den Willen der Union durchzudrücken, ist gescheitert. Wäre die SPD schlau, würde sie nun die Linke drängen, sich endlich regierungstauglich zu präsentieren.

Die Einführung des Mindestlohns auf dem Verwaltungswege ist gescheitert. Nur acht Branchen wollen in das Entsendegesetz aufgenommen werden - und damit ist nur ein Bruchteil jener Jobs erfasst, in denen Hungerlöhne Alltag sind. Die SPD wollte mit dem Trick "Ausweitung des Entsendegesetzes" den Mindestlohn hintenherum einführen. Und nebenbei Angela Merkel so, Branche für Branche, vor sich hertreiben. Guter Plan - aber daraus wird eher nichts. Ist dies also ein weiteres Kapitel in der Daily Soap "SPD-Pleite"? Oder gar der Beweis, dass Mindestlohn eine sozialdemokratische Zwangsbeglückung ist, die niemand braucht?

Nein, so ist es nicht. Mag sein, dass die SPD etwas zu viel Hoffnung in ihren Trick gesetzt hat. Aber das Problem liegt anderswo. Union und Arbeitgeber leisten erbitterten Widerstand gegen jeden Mindestlohn, erst recht gegen einen allgemeingültigen, obwohl es vernünftige Argumente dagegen kaum gibt. Er ist ja nicht mehr als eine Notbremse gegen krasse Ausbeutungsverhältnisse. Der Weg der SPD war also nur bedingt tauglich - das Ziel bleibt richtig: Wer arbeitet, soll davon auch leben können. Das sieht auch die Mehrheit der Union-Wähler so.

Das Thema ist seit gestern keineswegs vom Tisch. Der Mindestlohn wird der Union noch viel Kopfzerbrechen bereiten, weil sie in dieser Frage als verlängerter Arm von Lobbyinteressen agiert. Die SPD hingegen wird 2009 damit fröhlich Wahlkampf machen, die Gewerkschaften wieder an sich binden und der Unterschicht, nach Jahren der Zumutungen, mal wieder Erfreuliches anzubieten haben. Selbst die fahrige Beck-SPD wird es nicht schaffen, dieses Thema zu vergeigen.

Allerdings bleibt offen, mit wem die SPD den Mindestlohn umsetzen will. Mit der Union nicht, mit der FDP auch nicht. Der Mindestlohn wäre ein Kernprojekt einer rot-rot-grünen Koalition im Bund. Doch die schließen Beck & Co derzeit eifrig aus. Wenn die SPD-Spitze klug wäre, würde sie aus Hessen lernen, keine Option ausschließen und nebenbei die Linkspartei unter Druck setzen, sich endlich regierungstauglich zu präsentieren. Stattdessen bereitet sie zielstrebig ihre nächste Wortbruchtragödie vor. Die derzeitige Lernblockade der SPD hat etwas Erstaunliches.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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