Frankreich weiter ohne Bahn: Kein Ende der Streiks

Die Eisenbahner stimmen für Fortsetzung des Ausstands, zum vierten Tag in Folge war der Verkehr lahmgelegt. Und die Positionen von Regierung und Gewerkschaften verhärten sich.

Alle Räder stehen still? Von wegen - die Pariser wissen sich zu helfen. Bild: dpa

PARIS taz Der Streik bei Eisenbahn und Nahverkehr in mehreren französischen Städten geht am Samstag in den vierten Tag. Frankreichs Arbeitsminister Xavier Bertrand verlangte maximalistisch: "Erst muss der Streik aufhören. Dann beginnen wir mit Verhandlungen." An der Basis entgegnen EisenbahnerInnen: "Erst wollen wir Angebote hören, die Verbesserungen bringen."

Landesweit stimmten gestern EisenbahnerInnen für die Fortsetzung des Streiks, trotz Lohnausfällen von durchschnittlich 80 Euro pro Tag. Mal votierten sie mit erhobener Hand, mal in geheimer Abstimmung. Der Tenor bei den landesweiten Vollversammlungen war einhellig: "Nichts schafft bessere Verhandlungsbedingungen als ein guter Streik", erklärte Fabien Villedieu, Sprecher der zweitgrößten Eisenbahngewerkschaft "Sud-Rail".

Am Freitag waren nach amtlichen Zahlen noch 32 Prozent der Belegschaft im Ausstand. Bei den Pariser Verkehrsbetrieben fuhr nur eine Métro von fünf. Damit war der Streik schwächer als am Vortag, aber weiterhin stark genug, um den öffentlichen Verkehr radikal zu behindern. Weder die von der Regierung erhoffte Abkehr der Öffentlichkeit noch die ebenfalls erwartete Resignation der Streikenden hat eingesetzt. "Notfalls halten wir drei Monate durch", erklärte Jean Guijarro, CGT-Eisenbahner in Marseille. Er sei bereit, eine verlängerte Lebensarbeitszeit von 40 Jahren zu leisten - vorausgesetzt, dass die höheren Abgaben, die er und andere Eisenbahner gezahlt haben, um ihre bisherigen Sonderrenten zu finanzieren, kompensiert werden.

Je länger der Streik dauert, desto stärker rückt der französische Omnipräsident Nicolas Sarkozy in den Hintergrund. Stattdessen tauchen Realitäten von unten auf den Fernsehbildschirmen auf: Niedriglöhne, Armutsrenten, unsichere Arbeitsverträge und immer wieder die Empörung, dass der Staatspräsident sich seine eigenen Bezüge wenige Tage vor dem Streik um das Dreifache erhöht hat und dass Abgeordnete schon nach einer Legislaturperiode höhere Rentenansprüche haben als Eisenbahner nach 37,5 Beitragsjahren.

Anders als im Herbst 1995, als sämtliche BeamtInnen gleichzeitig schlechtere Rentenbedingungen schlucken sollten, hat Sarkozy versucht, die Verlängerung der Lebensarbeitzeit im öffentlichen Dienst in mehreren Schritten zu erledigen. Die geplante Streichung der Sonderrenten betrifft nur 500.000 Beschäftigte. Umso erstaunlicher ist es, dass die Bewegung dagegen mehrere Tage durchhält. Und dass sie stellenweise stärker befolgt wird als 1995. Diejenigen, die auch am Wochenende weiter streiken, hoffen auf die am kommenden Dienstag geplanten Proteste im gesamten öffentlichen Dienst.

Im Hintergrund schwelen weitere Konflikte. So räumte die Polizei in der Nacht zu Freitag fünf von Studenten besetzte Universitäten in Paris, Lyon, Straßburg, Nantes und Montpelliers. Und die RichterInnen bereiten einen Protesttag am 29. November vor: Justizministerin Rachida Dati will aus Kostengründen 196 Landgerichte schließen.

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