Proteste gegen Nazi-Demonstration: Rechte in Rudow unerwünscht

800 Menschen protestieren mit einem Straßenfest in Rudow gegen 550 Neonazis, die für ein "nationales Jugendzentrum" demonstrieren - ausgerechnet vor dem Jugendclub der Falken.

Modisches Accessoir in Neukölln am Samstag Bild: DPA

Hektisch ermahnt eine türkische Mutter ihren Sohn: "Du sollst schneller laufen!" Ein paar Meter weiter ziehen hunderte Neonazis vorbei. Sie tragen schwarze Flaggen, auf denen "Leipzig 1" in altdeutscher Schrift steht, sie rufen Parolen wie: "Nie wieder Krieg, nach uns'rem Sieg". 550 Neonazis demonstrieren am Samstag für ein "nationales Jugendzentrum". Dagegen protestieren 800 Menschen bei einem Straßenfest am U-Bahnhof Rudow.

Seit fünf Jahren agitiert die NPD für ein "nationales Jugendzentrum". Dieses Jahr konnten die Rechtsextremisten und ihre Jugendorganisation deutlich mehr Leute als in den vergangenen Jahren mobilisieren. Aus dem gesamten Bundesgebiet kamen Rechtsradikale angereist. Ihr Ziel: Der linke Jugendclub der Falken am U-Bahnhof Britz-Süd. Laut eines Mitarbeiters der Falken will die NPD das Haus übernehmen (taz berichtete). Dass die Rechten in diesem Jahr direkt am Falken-Club vorbei und nicht wie sonst durch Treptow-Köpenick laufen, "ist eine andere Qualität der Provokation", sagt Mirjam Blumenthal, ehrenamtliche Mitarbeiterin bei den Falken und Jugendbildungsreferentin beim DGB.

Gegen diese Provokation haben sich unter dem Motto "Wir sind mehr, wir sind lauter, wir sind bunter" rund 800 Teilnehmer am U-Bahnhof Rudow versammelt. Aufgerufen dazu haben das Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick und das Aktionsbündnis Rudow. Eine Sambagruppe spielt Musik, grüne Luftballons steigen in den Himmel, Trillerpfeifen ertönen. Auf Plakaten stehen Sätze wie "Kein Raum für Antidemokraten - Nirgendwo" und "Jugend braucht Perspektive. Aber wer braucht euch?" Der Linksfraktions-Chef im Bundestag Gregor Gysi (Linke) und Abgeordnetenhauspräsident Walter Momper (SPD) fordern ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD: "Es kann doch nicht sein, dass die Feinde dieser Gesellschaft mit Millionen finanziert werden", sagt Momper.

Auf der anderen Seite der Kreuzung versammeln sich die Neonazis an einem Imbiss. Mit dabei ist auch NPD-Chef Udo Voigt. Unter "Nazis raus"-Rufen von der Gegenseite treffen stoßweise die Neuankömmlinge ein. Später laufen sie durch Rudow bis nach Britz. In einigen Seitenstraßen stehen vermummte Antifas, die Israel-Flaggen hochgehalten und "Nazis raus" rufen. Eine Anwohnerin brüllt in den Neonazipulk: "Geh mal lieber zur Schule!" Als der Tross vorbeigezogen ist, sagt sie entsetzt: "Das war der Julius!" Am Ritterspornweg drängt eine wütende Frau den Neonazis entgegen. Ein Polizist hindert sie daran allein auf die Rechten loszugehen.

Nicht verhindern konnte die Polizei zwei Zusammenstöße vor Beginn der Demonstration: Am S-Bahnhof Treptower Park griffen etwa 20 Linke zehn Rechte an, die auf dem Weg zur Demonstration waren. Fünf Rechte wurden dabei laut Polizei verletzt. Am U-Bahnhof Neukölln umringten etwa 50 Linke einen Rechtsradikalen und rissen ihm ein Emblem von der Jacke. Insgesamt 13 Linke und Rechte wurden festgenommen.

Später gelingt es rund 60 Gegendemonstranten an der Kreuzung Fritz-Erler-, Ecke Lipschitzallee den Neonazi-Marsch kurzzeitig zu stoppen. Als gegen 17 Uhr die Kundgebung der Neonazis zu Ende geht, fordert laut Augenzeugenberichten der Moderator die Teilnehmer dazu auf, die verbotene Hitlerjugend-Hymne "Ein junges Volk steht auf" zu singen - was diese dann auch taten.

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