Übergriffe: Rechte lieben Prenzlauer Berg

Eine Studie des Verfassungsschutz benennt Räume rechter Gewalt. Im Szenekiez an der Schönhauser Allee gibt es mehr Übergriffe als in Lichtenberg. Die Täter schlagen inzwischen öfters auch alleine zu.

Demonstration gegen das Verbot der Skinhead-Band Landser in Berlin. Bild: AP

Der Prenzlauer Berg ist eine Hochburg der Rechten. Das geht aus einer Studie des Verfassungsschutzes hervor, die Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und die Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid am Donnerstag vorstellten. Demnach gab es zwischen 2003 und 2006 im Szenekiez 37 Übergriffe mit rechtem Hintergrund, mehr als in allen anderen Ortsteilen Berlins. Die Vorfälle ereigneten sich vorwiegend entlang der Schönhauser Allee, an der Danziger und der Greifswalder Straße. Selbst in Lichtenberg, wo Gebiete wie der Weitlingskiez als Nazitreffpunkte verschrien sind, schlugen Rechte weniger häufig zu. Dort gab es im selben Zeitraum 30 Fälle von rechter Gewalt.

Insgesamt hat der Verfassungsschutz 300 rechte Gewaltdelikte untersucht, die der Staatsschutz zwischen Anfang 2003 und Ende 2006 verzeichnete. 86 Prozent davon waren Körperverletzungen. Die meisten Übergriffe gibt es nach wie vor im Osten der Stadt: Die Behörde stellt Verdichtungen rechter Gewalt neben dem Prenzlauer Berg auch rund um die S-Bahnhöfe Lichtenberg und Schöneweide fest. Im Westen konzentrieren sich die Tatorte auf die Rudower Spinne, ein Platz im Süden Neuköllns.

Die Gewaltdelikte geschehen häufig in der Nähe des Wohnorts: Die meisten Tatverdächtigen leben in Lichtenberg, Pankow, Treptow-Köpenick und Rudow. Auch gewaltbereite Rechtsextremisten wohnen oft in diesen Gegenden. Bekannte Treffpunkte liegen beispielsweise in Niederschöneweide und Prenzlauer Berg.

Lediglich in Marzahn-Hellersdorf verbesserte sich die Lage deutlich: Zwischen 1997 und 2003 fanden dort noch 17 Prozent der rechten Gewaltvorfälle statt, 2003 bis 2006 waren es noch sechs Prozent. "Eine Erklärung könnte sein, dass es dort früher eine Jugendclique gab, die heute nicht mehr existiert", sagte Schmid.

Laut Statistik kommt es zu den Übergriffen häufig auf Straßen und an Bahnhöfen, oft am Wochenende und in den Abendstunden. Die Tatverdächtigen sind meist junge Männer. 42 Prozent von ihnen haben keine Arbeit, ein Großteil wohnt noch bei den Eltern.

Laut Verfassungsschutz gehören die meisten Täter nicht dem organisierten Rechtsextremismus an, nur wenige haben ein ideologisch verfestigtes, rechtsextremistisches Weltbild. "Die NPD-Funktionäre selbst schlagen nicht zu", sagte Innensenator Körting. "Aber sie schaffen ein verfassungsfeindliches Klima, sie bereiten den Boden für solche Taten."

Die Übergriffe würden oft spontan begangen, sagte Schmid. Die Opferauswahl erfolge anhand des äußeren Erscheinungsbildes. Rechte Gewalt ist zwar ein Gruppenphänomen: 60 Prozent der Taten gehen von einer Gruppe aus, 40 Prozent von Einzeltätern. Doch 1997 bis 2003 waren es nur 33 Prozent. Dieser Anstieg beunruhigt Körting. Es gebe ein Klima, das selbst Einzelne dazu ermutige zuzuschlagen.

Zugenommen haben der Studie zufolge auch die Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken. Seit 2005 übertrifft die Zahl der Übergriffe gegen Links die der fremdenfeindlichen Attacken. "Das korrespondiert mit dem Erstarken der autonomen Aktionsgemeinsschaften", sagte Schmid. Diese seien gegenüber den stärker organisierten Kameradschaften in den Vordergrund getreten. Allerdings habe auch die Zahl der Angriffe von Linksextremen auf Rechtsextreme zugenommen.

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