Ostasiatisches Kino: Geschichten zur Geschichte

Korea, Singapur, Japan: Das Forum zeigt drei Filme, die sich mit politischen Verwerfungen in Ostasien befassen und mit der Unmöglichkeit der Zeitzeugen, das eigene Erinnern und Vergessen zu begreifen.

Imperiale Symbolik auf dem Eingangstor zum japanischen Yasukuni Schrein Bild: dpa

Mun Jeong-hyuns Mutter macht zwar die beste Namwon-Fischsuppe in Korea, er wollte aber eigentlich niemals einen Film über seine Familie drehen. Mit "Grandmothers Flower" hat er es dennoch getan - und legt dabei in vielen Gesprächen mit nahen Verwandten immer neue Facetten seiner Familiengeschichte frei. Die Spuren weisen über den Norden und Süden des Landes bis nach Japan. Es ist eine ungewöhnliche Leidensgeschichte quer durch alle politischen Lager, gespiegelt immer wieder in der Person seiner Großmutter mütterlicherseits, Park-soon Rae. Mun zeigt sie in seinem Film als Stellvertreterin einer ganzen Generation und begleitet ihr Leben von der Kolonialzeit bis über ihren Tod hinaus. Krieg, Verrat, Wahnsinn, Misshandlung, Opfer und Schuld: Stets scheint sich Mun zu fragen, ob Aussöhnung möglich ist und ob die Zeit alle Wunden heilen kann.

Im umstrittenen Yasukuni-Schrein in Japan scheint die Zeit allerdings seit Jahrhunderten - und gegenwärtig erneut - stehen geblieben zu sein. 1869 als "Festung des japanischen Geistes" errichtet, im Zweiten Weltkrieg zum religiösen Mittelpunkt des Militarismus geworden, gilt er Japans Nationalisten noch heute als heilig. Der chinesische Regisseur Li Ying dokumentiert in seinem Film "Yasukuni" Geschichte und Gegenwart des Schreins: Polizeieinheiten und diverse militärische Gruppierungen beim Salut bis hin zu Protestlern, die vor laufender Kamera blutig geschlagen werden. Immer wieder zeigt Ying den Ort vielfältiger Antikriegsproteste oder bedingungsloser Heldenverehrung und seine unterschiedlichen Nutzungen: vom buddhistischen Oberpriester, der sich für die Rechte von Angehörigen aus China, Taiwan oder Korea einsetzt und dafür plädiert, ihre Toten von der Vereinnahmung Japans im Schrein zu befreien, bis hin zum umstrittenen Besuch von Premier Koizumis Junichiro. Der Schwertschmied des Tempels, Kariya Naoji - man sieht ihn im Film dabei, wie er sein letztes Schwert schmiedet -, antwortet nur selten auf Fragen. Er habe gehört, dass "ein Yakusuni-Schwert ein Maschinengewehr durchschneiden kann!", sagt er einmal.

So manifest wie der Tempel selbst wirkt auch der schweigsame 88-Jährige in seinem traditionellen Handwerk. Auch der Film ist am Ende schweigsam: schwarzgerahmte Archivbilder vom historischen Schauplatz werden aneinandergereiht, untermalt mit bombastisch getragenen Passagen aus Hendrick Góreckis Sinfonie, die zum 50. Jahrestag der Invasion Hitlers in Polen komponiert wurde. Ein klassischer Dokumentarfilm.

Experimentelle Ansätze gegen das Vergessen und eine brillante Darstellung der Unmöglichkeit, Geschichte festzuhalten, zeichnet hingegen "Invisible City" von Tan Pin Pin aus. Der Film begleitet verschiedene Beobachter und Zeitzeugen der Geschichte Singapurs, wie sie mehr oder weniger erfolgreich versuchen, ihre eigenen Aufzeichnungen und Erinnerungen zu begreifen - in Gesprächen, durch Besuche von historischen Originalschauplätzen, durch Fotos, Film- und Tonaufzeichnungen. Sie alle sind auf der Suche nach der ehemaligen chinesisch/kantonesischen Bevölkerung der Halbinsel Malaya oder haben in ihrer Jugend britische Kolonialbauten abgelichtet. Ein junger Archäologe leitet im Dschungel Müllausgrabungen und fragt sich beim Fund einer Colaflasche: "Was passierte hiermit bloß 1956?" Ein alternder Medizinforscher taucht in dem gesamten Film immer wieder auf. Frisch am Gehirn operiert, verliert er seine Gedanken schon beim Sprechen. Man kann ihm dabei zusehen, wie sich sein Gedächtnis verflüchtigt bei dem Versuch, sich an Fakten, Daten oder Orte zu erinnern.

Gleichzeitig thematisiert und reflektiert er bewusst diesen Verlust im Gespräch. Manchmal braucht ein Satz Stunden, bis er ihn beenden kann, wenn überhaupt ("What is left when you ?"). Er betreibt sozusagen ein "Re-Recording" seiner frühen filmischen Forschungsergebnisse, die er nachträglich versucht zu kommentieren und zu aktualisieren. Sei es nur, um "It doesnt work" ins Mikrofon zu sagen. Die Aufnahmen vergammeln dann in der tropischen Hitze.

Wie ganz nebenbei gelingt es Regisseurin Pin Pin, einige dieser Dokumente zu retten, ohne dabei am gewohnten Doku-Genre mit Talking Heads, eindeutigen Belegen, Musik oder Schnitten festzuhalten. Stattdessen versucht sie, Dokumentaristen zu dokumentieren, Geschichten zur Geschichte als Interaktion vorzustellen. Ende offen.

"Invisible City". R: Tan Pin Pin. Singapur 2007, 60 Min.; 11. 2., 15 Uhr, Cinestar; "Yasukuni". R: Li Ying. Japan/VR China 2007, 123 Min.; 11. 2., 17.15 Uhr, Arsenal; 12. 2., 12.45 Uhr, Cinestar; 14. 2., 20 Uhr, Cubix; "Grandmothers Flower". R: Mun Jeong-hyun. Korea 2007, 90 Min.; 11. 2., 12.30 Uhr, Arsenal; 12. 2., 20.15 Uhr, Cinestar

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