Medienmacher über Digitalisierung: Kannibale Internet

Ist demnächst alles digital? Bei den Münchner Medientagen wurde über die Zukunft der Printmedien orakelt. Um die Süddeutsche Zeitung ging es nur am Rande.

Laptop statt Zeitung - Medienmacher sorgen sich um die gedruckte Zeitung. Bild: reuters

MÜNCHEN taz Der Wendepunkt wird auf 2015 datiert. Werbung wird es nur noch in Onlinepublikationen geben. Flickr, YouTube und MySpace waren nur der Anfang. Bald ist dann auch das Leben digital. Bücher und Zeitungen werden ersetzt durch den digitalen Wissensfluss. Jeder kann ein Prosumer sein - Konsument und Produzent von Information.

Diese Vision ist eine Fiktion, die auf den Münchner Medientagen in einem Einspielfilm präsentiert wird. "Media Yourself" ist das Motto der Fachtagung, Untertitel: "Wie das Internet Medien und Gesellschaft verändert". Kurz: Man hat sich eine Menge vorgenommen. Die These, die der Einspielfilm präsentiert - unter dem Strich bedeutet sie auch das Ende der gedruckten Zeitung durch die Konkurrenz des Internet -, ist allerdings nur eine. Christoph Keese, Chefredakteur der Welt, fand sie zum Gähnen. "Ich kann nicht beurteilen, ob es so kommen wird", sagte er. Aber der Wikipedia-Mechanismus etwa - jeder schreibt mit - funktioniere "wahrscheinlich gar nicht bei Nachrichten", sagt Keese. Die alten Nachrichtenproduzenten, Journalisten und Verlage, hätten "den Markt für Information im Internet fast monopolartig" besetzt. 14 Jahre hätten sich Zeitungsleute die Frage gestellt: "Kannibalisieren wir uns mit dem Internet selbst? Und auf diese Frage gibt es keine Antwort." Man solle "einfach handeln. Das Ende der Kannibalisierungsdiskussion - das ist, was die Zeitung jetzt braucht", so Keese. Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, herrenwitzte hinterher: Die Zeitung sei ein emotionales Produkt, und wenn sie morgens nicht im Briefkasten liege, seien Leser aufgeregt - "mehr, als wenn morgens die Frau nicht im Bett liegt".

Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, warnte zwar davor, "dass wir uns hier selbst beweihräuchern. Ja, Informationen werden im Grunde von Verlagen gemacht", sagte er. Dass aber etwa Spiegel-Online - und nicht das Portal einer tagesaktuellen Zeitung - das führende deutsche Nachrichtenportal sei, "ist eine Niederlage für die deutschen Zeitungen". Im Grunde aber bestand Einigkeit: "Qualitätsjournalismus ist wichtig, Optimismus ist da", fasste Frank Thomsen, der die Diskussion moderierte, zusammen. Eine Erkenntnis wie aus einem kommunikationswissenschaftlichen Einführungsseminar.

Nur indirekt ging es auch um die Zukunft der Süddeutschen Zeitung. Für den Süddeutschen Verlag (SV), zu dem die SZ gehört, bieten den vorliegenden Informationen nach: die WAZ-Gruppe, Holtzbrinck (Die Zeit), DuMont (Frankfurter Rundschau), die Südwestdeutschen Medien-Holding, die bereits SZ-Gesellschafter ist, sowie drei Finanzinvestoren. Eberhard Sinner (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, fragte, ob Finanzinvestoren eine Bedrohung für Printmedien seien - und antwortete selbst: "In gewisser Weise sicher ja. Ich glaube aber, dass wir damit im Printbereich eher nicht rechnen müssen."

Bodo Hombach allerdings, als WAZ-Geschäftsführer wohl unter den Bietenden für die SZ, ließ sich nichts entlocken, als ihn Moderator Thomsen nach dem Kauf der Braunschweiger Zeitung durch die WAZ fragte. 210 Millionen Euro hatte die Zeitung gekostet - eine enorme Summe. Thomsen folgerte: "Das Ende der Zeitungen sehen Sie offenbar nicht voraus?" Hombach erwiderte: "Das haben Sie gut beobachtet." Den regionalen, lokalen Marktplatz zu bedienen, "das ist aus unserer Sicht noch eine langfristige Alternative", so Hombach. Darüber zu spekulieren, was das bedeuten würde, falls die SZ an die WAZ geht, wäre allerdings das, was bei den Medientagen ein wenig zu viel betrieben wird: Kaffeesatzleserei.

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