Medien in Belgien: Parallele Öffentlichkeiten

Was verbindet Flandern und die Wallonie? Eine Diskussion über die "Rolle der Medien in der belgischen Krise".

BRÜSSEL taz Die belgische Journalistin Béatrice Delvaux von Le Soir fühlt sich an einen Ehetherapeuten erinnert, wenn sie in diesen Tagen ausländische Zeitungen aufschlägt und die kritischen Berichte über ihr Land studiert. "Meine ausländischen Kollegen hören sich die Argumente beider Partner an und stellen dann die logisch richtige Frage: Und warum bleiben Flandern und die Wallonie zusammen, wenn sie nichts mehr verbindet?"

Das als Live-Sendung getarnte Dokudrama "Bye Bye Belgium", das vor einem Jahr entsetzte Belgier auf die Straße getrieben hatte, weil es die Spaltung des Landes täuschend echt nachspielte, bezeichnet Delvaux als "heilsamen Schock". Das Tabu, laut über eine Teilung nachzudenken, sei aber schon vorher gebrochen worden - von der flämischen Wirtschaftskammer, die ihren Landsleuten vorgerechnet habe, dass die französischsprachige Wallonie für sie ein Groschengrab sei.

Ihr flämischer Kollege Filip Rogiers von De Morgen widerspricht vehement. Es gehe in dem Streit nicht ums Geld. "Bye bye Belgium" nennt er eine "schreckliche Giftmischung, eine bizarre Idee, wenn man eine wirkliche Diskussion entfachen will". Es sagt viel über die verzwickte Geschichte des Königreichs Belgien aus, dass der junge Journalist sich bei der Diskussion zur "Rolle der Medien in der belgischen Krise" mit seiner Kollegin auf Englisch verständigt. Manchmal fehlt ihm ein Wort, und er fügt es in akzentfreiem Französisch ein. Selbstironisch lächelnd korrigiert er den Moderator, als der seinen typisch französischen Nachnamen französisch ausspricht.

Rogiers sieht das Hauptproblem des Landes darin, dass in den letzten Jahren zwei parallele Öffentlichkeiten entstanden seien. Die mit jeder Reformrunde stärker werdenden Regionalregierungen produzierten eigene Nachrichten, und die seien in der französischsprachigen Wallonie ganz anders als im holländischsprachigen Flandern.

Seine Kollegin Delvaux geht noch weiter. Nicht ökonomische, sondern soziologische Indikatoren zeigten am deutlichsten, wie weit sich die beiden Landesteile entfernt haben: "Wir sehen andere Fernsehprogramme, die Kinder lesen unterschiedliche Comics, auf den Top-Ten-Listen der besten Designer, Filmemacher, Autoren stehen ganz verschiedene Namen!"

Die ausländische Presse, kritisiert Rogiers, habe keine Ahnung von den Verhältnissen in seinem Land. Die meisten Journalisten sprächen kein Flämisch und informierten sich nur aus französischsprachigen Zeitungen. Diese Behauptung wurde prompt von mehreren ausländischen Kollegen im Publikum widerlegt. Vor ein paar Tagen erst hätte er mit flämischen Chefredakteuren zusammengesessen, um deren Standpunkt besser zu verstehen, sagte ein Schweizer Journalist. Die Diskussion sei natürlich auf Flämisch geführt worden. "Während aber Wallonen viel über die gemeinsame Geschichte sprechen, über die gemeinsame Kultur, reden Flamen immer nur übers Geld." Entweder wollten sie die Teilung, weil sie die arme Wallonie nicht länger durchfüttern wollen. "Oder sie sind dagegen, weil es zu teuer wäre und schlecht für die Wirtschaft des Landes."

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