Fördergelder für Opferberatung: Sachsen kappt Hilfe für Neonazi-Opfer

Die Regierung fördert künftig nur noch eine von zwei Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt. Kritiker mahnen, dass so die Betreuung in Neonazi-Hochburgen ausgedünnt wird.

"Amal" bot Neonazis bislang vor allem im ländlichen Sachsen Paroli. Bild: dpa

DRESDEN taz In Görlitz und in Wurzen räumt in diesen Tagen die landesweit agierende Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Amal ihre Büros. Bis Februar lief noch eine Übergangsfinanzierung, nun wird das Projekt abgewickelt.

Kurz vor Weihnachten hatte das sächsische Sozialministerium den Förderantrag von Amal abgelehnt. Alleiniger Träger der Opferberatung in Sachsen wird der konkurrierende Verein RAA, der bislang nur in den Großstädten Leipzig und Dresden ein Büro hatte und öffentlich kaum in Erscheinung trat. "Wir sind der CDU zu links und zu kritisch", vermutet Hagen Kreisel von Amal und spricht von "Wut im Bauch" nach so vielen Jahren des Engagements.

"Der zuständige Referent im Sozialministerium hat nach politischer Opportunität entschieden", bestätigt ein Regierungsmitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will. Bekannt ist, dass die fünf Amal-Mitarbeiter teilweise der Antifa nahe standen. Offiziell begründet das Sozialministerium das Ende von Amal mit einem besseren Konzept der RAA und der Auflage des Bundes-Förderprogramms Beratungsnetzwerke, nur einen Träger pro Bundesland zu fördern.

"Das stimmt so nicht", stellt Ute Seckendorf richtig, die in der Stiftung Demokratische Jugend die Opferberatung bundesweit koordiniert. In Sachsen-Anhalt werden beispielsweise sowohl der Miteinander e. V. als auch das Multikulturelle Zentrum Dessau gefördert. "Wir wollen nur nicht, dass Opferberatungen parallel und konkurrierend arbeiten", stellt Ute Seckendorf klar.

Damit verweist sie zugleich darauf, dass der bundesweit einmalige sächsische Fall komplizierter liegt, als es auf den ersten Blick scheint. Man habe die beiden Beratungsnetzwerke schon vor Jahresfrist aufgefordert, sich abzusprechen, erläutert die Koordinatorin. Eine Moderation scheiterte jedoch, weil sich beide Organisationen "spinnefeind" seien.

Bislang gab es zumindest eine territoriale Aufteilung der Zuständigkeiten, nach der Amal vor allem in den für Nazi-Einflüsse besonders empfänglichen ländlichen Regionen agierte. Beide Organisationen legten auch stets eine gemeinsame Jahresstatistik vor. Weitergehende Kooperationen wurden jedoch abgelehnt. Und eine Fusion, bei der Amal-Mitarbeiter hätten übernommen werden können, wird von beiden Vereinen als "nicht realisierbar" angesehen. So sei es zu der von allen Seiten bedauerten Situation gekommen, dass das Sozialministerium zwischen zwei Förderanträgen entscheiden musste, sagt Seckendorf.

Hagen Kreisel befürchtet nun angesichts der steigenden Fallzahlen eine Ausdünnung der Opferbetreuung. Man habe bislang mit einem Jahresetat von 190.000 Euro schon am Limit gearbeitet. "Mit mehr Leuten wären auch mehr Fälle zu recherchieren", sagt Kreisel. Man werde aber weiter versuchen, so gut es geht, ehrenamtlich in der Opferberatung zu arbeiten.

"Die aufsuchende Betreuung war die wichtigste Stärke von Amal", sagt Volkmar Wölk aus dem Büro der linken Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz. "Traumatisierte kommen selten von allein in ein Büro." Und auch die Grünen-Abgeordnete Astrid Günther-Schmidt sagt, es sei "falsch, gerade in Sachsen auf die regional verankerte Opferberatung von Amal zu verzichten".

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