Bundesweite Razzia bei Islamisten

In fünf Bundesländern durchsucht die Polizei Gebäude von mutmaßlichen Dschihad-Werbern. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Wie bei der Terrorgruppe im Sauerland führen auch hier die Spuren in die Neu-Ulmer Islamistenszene

VON WOLF SCHMIDT

Bei einer Razzia gegen mutmaßliche Islamisten haben 130 Polizisten am Mittwoch mindestens 16 Wohnungen und Räume von Verlagen und Vereinen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Im Visier hatten sie neun Verdächtige zwischen 25 und 47 Jahren, darunter sollen auch zwei Imame sein. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Im Zentrum der Ermittlungen steht wieder einmal die Islamistenszene im bayerischen Neu-Ulm. Die Beschuldigten sollen sich dort im Jahr 2005 im „Multi-Kultur-Haus“ zusammengeschlossen haben, um Muslime und zum Islam Konvertierte zu radikalisieren und zum „heiligen Krieg“ im In- und Ausland anzustacheln. Ihre Mittel: Videos, CDs, Bücher, Internetseiten und Seminare.

Der Verein Multi-Kultur-Haus wurde Ende 2005 verboten. In den Jahren danach entwickelte sich das Islamische Informationszentrum im baden-württembergischen Ulm immer stärker zum tragenden Pfeiler der radikalislamischen Szene an der Donau. Auch der zum Islam konvertierte Fritz G., mutmaßlicher Rädelsführer der sogenannten Sauerland-Gruppe, deren Anschlagspläne im September vereitelt wurden, war dort Mitglied. Das Islamische Informationszentrum löste sich im Oktober vergangenen Jahres auf und kam damit einem Verbot zuvor. Die islamistische Szene in Neu-Ulm und Ulm hat sich dadurch aber nicht in Luft aufgelöst. Der bayerische Verfassungsschutz geht offiziell von 40 dazugehörigen Personen aus. „Die Szene hat sich in die Privatwohnungen verlagert, ein härterer Kern ist ins Ausland abgewandert“, bestätigten Sicherheitskreise der taz.

Die Staatsanwaltschaft München, die die Ermittlung leitet, wirft den neun Beschuldigten – allesamt deutsche Staatsbürger – auch Volksverhetzung vor. Wesentliche Bestandteile ihrer Ideologie seien Intoleranz und Gewalt gegen „Ungläubige“.

Zu den Verdächtigen zählt laut Bayerischem Rundfunk auch der Deutschägypter Reda S., der inzwischen in Berlin lebt. Die Staatsanwaltschaft München wollte dies auf Nachfrage aber weder bestätigen noch dementieren. Reda S. stand unter Verdacht, an einem Al-Qaida-Anschlag auf Bali im Oktober 2002 beteiligt gewesen zu sein, was ihm aber nicht nachgewiesen werden konnte.

In Leipzig wurde, wie die Polizei auf Nachfrage bestätigte, die Al-Rahman-Moschee des Imams Hassan D. durchsucht. Die Moschee wird vom Verfassungsschutz beobachtet, wie der sächsische Verfassungsschutz der taz mitteilte. Hassan D. repräsentiere „eine ursprüngliche Version des Islam, den Salafismus, propagiert mit extremistischer Ausrichtung“. In Berlin durchsuchte die Polizei nach Angaben der Deutschen Presseagentur Räume des Verlags As-Sunna. Der Verlag produziert unter anderem Videos, in denen für den Übertritt zum Islam geworben wird. Sie sind auch über das Onlineportal YouTube abrufbar.

Festnahmen gab es laut Staatsanwaltschaft keine.