Bürgerentscheid nach Kindstod: Schwerin wählt OB ab

Die Bürger haben entschieden: Nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie muss der Schweriner Oberbürgermeister Claussen gehen.

Gravierende Fehler im Fall Lea-Sophie: Der Schweriner Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU) muss gehen. Bild: dpa

BERLIN ap/dpa Der wegen des Hungertods der fünfjährigen Lea-Sophie schwer in die Kritik geratene Schweriner Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU) muss gehen. In einem Bürgerentscheid stimmten am Sonntag rund 29.000 Wähler gegen Claussen, rund 2.500 mehr, als nötig waren.

Damit muss Claussen die Konsequenzen der Zustände im städtischen Jugendamt tragen. Lea-Sophie war im November in einer Plattenbauwohnung verhungert, obwohl dem Jugendamt Hinweise auf eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls vorlagen. Untersuchungen hatten erhebliche Defizite in der Arbeit der Behörde aufgezeigt. Die 24 Jahre alte Mutter und der 26 Jahre alte Vater Lea-Sophies sind wegen gemeinschaftlichen Mordes und Misshandlung Schutzbefohlener angeklagt.

Kritiker werfen Claussen vor, beim Krisenmanagement gravierende Fehler gemacht zu haben. So soll er die Aufklärung von Versäumnissen im Jugendamt nicht richtig vorangetrieben haben. Claussen hatte unter anderem gesagt, die Stadt habe mit dem Tod von Lea-Sophie "Pech gehabt". Dafür hat er sich mittlerweile entschuldigt.

Claussen zeigte sich über seine Abwahl enttäuscht. Mit einer so deutlichen Niederlage im Bürgerentscheid hat er nach eigenen Worten nicht gerechnet. "Die Demokratie hat entschieden, und das habe ich zu akzeptieren", sagte er. Es sei allerdings nicht schön, wenn man nach 14 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Stadt gearbeitet habe und dann auf diese Weise gehen müsse. Teilweise sei man unter die Gürtellinie gegangen.

Die Deutsche Kinderhilfe wertet das Abstimmungsergebnis als einen Sieg für den Kinderschutz. Es habe Signalwirkung für andere Kommunen. "Gerade auf der kommunalen Ebene müssen die erforderlichen Qualitätsreformen in der Jugendhilfe angeschoben werden", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann.

Angesichts der Probleme der Stadt herrschte am Montag allerdings selbst bei den Siegern des Bürgerentscheids mehr Nachdenklichkeit als Freude. Noch ist keine Alternative zu Claussen in Sicht.

Die von ihrer Partei angestrengte Abwahl des Oberbürgermeisters sei kein Grund zum Jubeln, sagte die SPD-Fraktionschefin in der Stadtvertretung, Manuela Schwesig: "Wir müssen jetzt den Scherbenhaufen aufkehren, den Claussen hinterlässt."

Groß sind Verdruss und Enttäuschung indessen bei der CDU: "Die Gründe verstehen wir immer noch nicht", sagte der Fraktionsvorsitzende Gert Rudolf. Am 5. Mai wollen die Stadtvertreter über den Termin für die Wahl eines neuen Bürgermeisters entscheiden. Diese soll möglichst noch vor den Sommerferien stattfinden.

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