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: „Trade“

„Willkommen in Amerika“ – so begrüßt der Mexikaner Manolo (Marco Pérez) die Gruppe, die er soeben im Dunkel der Nacht über den Fluss in die USA gebracht hat. Normalerweise würde man sich an dieser Stelle des Films freuen für die Flüchtlinge, die endlich im reichen Nachbarland angekommen sind. Aber weder die drei Frauen noch der Junge sind freiwillig hier. Sie wurden entführt, verschleppt von global organisierten Menschenhändlern, die sie in die Prostitution zwingen werden. Die 13-jährige Adriana (Paulina Gaitan) wurde auf offener Straße vom Fahrrad heruntergezerrt, die Polin Veronica (Alicja Bachleda) unter dem Vorwand, im Westen Arbeit zu bekommen, ins Land gelockt. Während die Behörden beiderseits der Grenze ihre Augen verschließen, wenn Bestechungsgelder fließen, oder ihr Nichtstun damit entschuldigen, dass sie nicht am Einzelfall, sondern am System und den Hintermännern interessiert seien, verfolgt einzig Adrianas Bruder Jorge (Cesar Ramos) die Spur der Entführer.

Das wachsende politische Gewissen des Mainstreamkinos kennt zurzeit hauptsächlich zwei Optionen, Aufklärung mit Schauwerten zu verbinden: entweder im engagierten Dokumentarfilm, der die abstrakten Zusammenhänge zwischen Schauplätzen, Akteuren, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen in einer starken Identifikationsfigur (Michael Moore, Al Gore) bündelt. Oder im komplementären Versuch, mit dem Image eines Stars als Zugpferd an den Kinokassen für die gute Sache zu werben: siehe Leonardo DiCaprio in „Blood Diamond“ und Jennifer Lopez in „Bordertown“. „Trade“, die erste US-Regiearbeit des Deutschen Marco Kreuzpaintner („Sommersturm“), setzt nicht auf große Namen – erst in der zweiten Hälfte des Films wird Kevin Kline als Helfer Jorges in Erscheinung treten –, sondern auf den beständigen Perspektivwechsel zwischen dem Leidensweg der in einem Lieferwagen eingesperrten Opfer und der Suche derjenigen, die sie befreien wollen. So gelingt es Kreuzpaintner, seine Geschichte in jedem Augenblick dramatisch zu halten. Dadurch läuft er aber auch Gefahr, sein Sujet an die Konventionen des Genrekinos zu verlieren. Frei von Klischees und waghalsigen Plotkonstruktionen ist der Film nicht. Mexiko ist wie immer eine ins Monochromatische verblassende, staubtrockene Landschaft. Dennoch lenkt der Film Aufmerksamkeit auf ein nur zu gerne verdrängtes Verbrechen. DIETMAR KAMMERER

„Trade – Willkommen in Amerika“. Regie: Marco Kreuzpaintner. Mit Kevin Kline, Paulina Gaitan, Cesar Ramos u. a., USA 2006, 120 Minuten