Fehlender Lesewahn: Wenn Buchhalter Bücher machen

Zum Schluss eines ereignisreichen Jahrs in der Buchbranche wurde der Chef des Marebuch-Verlags, Nico Hansen, gefeuert.

Wer Bücher machen will, muss lesewütig sein. Bild: dpa

Man kennt das Phänomen sehr gut - das Jahr neigt sich dem Ende zu, und man glaubt, einmal gründlich aufräumen zu müssen. Man beantwortet die liegen gebliebenen Briefe, ordnet den Schreibtisch, sortiert die steuerrelevanten Rechnungen. Erst dann mag man beruhigt dem neuen Jahr entgegensehen.

In der Buchbranche verliefen die Jahre früher anders, dort war alles auf die Frankfurter Messe orientiert, sie bot die letzte Gelegenheit, sich zu erklären, sich feiern oder bedauern zu lassen. Danach nämlich kam das Weihnachtsgeschäft, das niemandem in der Branche so recht Zeit ließ. Doch die Zeiten haben sich geändert, nicht nur beginnt das Weihnachtsgeschäft nun immer später, auch die Branchennachrichten werden nun allesamt lang nach der Buchmesse lanciert. Von einem Ordnungszwang kann allerdings auch hier gesprochen werden.

Zunächst gab es große Aufregung, als im November bekannt gegeben wurde, dass der Tropen Verlag vom altbewährten Stuttgarter Verlagshaus Klett geschluckt werden würde, die Tropen-Verleger dabei jedoch zu Verlegern der Programmsparte Klett-Cotta aufstiegen. Klett allerdings trennte sich fast zeitgleich von dem unlängst gegründeten Sachbuchverlag Booklett, dessen Verlegertrio nun dumm dasteht. Warum die Trennung erfolgte, bleibt rätselhaft. Sortieren die Manager den Konzern neu? Herrscht ein Machtkampf in Stuttgart, dem vielleicht die beiden Tropen-Verleger gleich wieder zum Opfer fallen könnten? Es gibt laut Branchenblättern jedenfalls einen regelrechten Exodus von Klett-Mitarbeitern.

Ebenfalls recht rüde trennte sich Ende November der Eichborn Verlag, der ja seit einigen Jahren börsennotiert ist, von seinem Mitbegründer und Vorstand Matthias Kierzek. Und Nico Hansen, der erfolgreiche Gründungsverleger des Hamburger Marebuch-Verlags, wurde fast gleichzeitig vom Besitzer, Nikolaus Gelpke, vor die Tür gesetzt. Lektor Tim Jung ließ am Freitag mitteilen, dass er das Handtuch wirft.

Klett, Marebuch und Eichborn - es scheint, als habe der Mitarbeiter eines Verlages jenen, die sein Tun und Wirken finanzieren, plötzlich vor allem zu gefallen und zu gehorchen. Die drei Fälle sind zwar nicht wirklich vergleichbar. Bei Eichborn gab es in diesem Jahr einen eklatanten Millionenverlust, gleichwohl ist diese Form der Demission eines Verlagsgründers schon ein sehr rauer Akt. Verlage sind selbst dann, wenn sie an der Börse notiert sind, immer noch etwas anderes als, sagen wir mal, Stahlwerke oder Banken. Hansen und Gelpke wiederum hätten sich, heißt es, über die Ausrichtung des Verlages zerstritten, obschon Fachleute das verlegerische Können Hansens nicht anzweifeln. Welche Gründe also hat Gelpke gehabt? Im Falle Klett-Booklett schließlich ist der Konflikt, der zur Trennung führte, schlicht nicht zu begreifen, jedenfalls mit den bisher bekannt gewordenen Fakten. Das Booklett-Verlegertrio selbst ist offensichtlich desgleichen völlig ratlos.

Man bekommt allerdings den Eindruck, dass sich die Finanziers der Verlage - hier sei auch noch mal an das unwürdige Gezerre um seinen Anteil erinnert, das sich der Schweizer Finanzier des Suhrkamp Verlags leistete - immer weniger als Kulturmenschen begreifen, deren Rolle zwar nicht die des Mäzens ist, die allerdings ein langfristiges Agieren mit ihrer Einlage planen sollten. Nein, sie wollen auch in der Buchbranche, in der bekanntlich nicht viel Geld zu holen ist, schnellen Reibach machen. Oder aber wenigstens als Besitzer und als Verleger dastehen. Verlegen aber lässt sich nun mal nicht aus der Buchhaltung heraus. Dazu braucht es einen gesunden Lesewahn. Den aber muss man sich leisten können und wollen.

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