Kunst in Zeiten der Terrorangst: Eine Kiste gegen Landminen

Eine Anti-Minen-Ausstellung und die Frage, ob auch das Scheitern in der Sicherheitsfrage ausgestellt werden kann.

Die Ausstellung "Explosives Erbe des Krieges" im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags dokumentiert die Arbeit der Anti-Landminen-Kampagne und zeigt ihre Erfolge auf. Vor allem aber will ihr Initiator, das Aktionsbündnis Landmine.de, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die nach wie vor bestehende globale Herausforderung durch Minen und Streumunition lenken.

Die Website des Deutschen Bundestags wie die des Aktionsbündnisses werben mit einem typischen Opferfoto für die Ausstellung. Zwei hübsche junge Afrikanerinnen gehen an viel weniger hübschen Krücken. Ein Fehltritt der Mädchen kostete sie ihr Bein. Man darf das humanitär-empörte "Seht her!" einer solchen Opferfotografie für fragwürdig halten. Weit weniger fragwürdig erscheint da das Kunstobjekt der in Berlin lebenden Künstlerin und Architektin Shirin Homann-Saadat: eine alte Munitionskiste, voll gepackt mit einer entschärften Mine und Streumunition.

Nun leben wir aber in Zeiten der Terrorangst. Da ist dann auch entschärfte Munition gefährlich, sofern sie zugänglich in einer Kiste ruht. Sie könnte ja gestohlen werden. Am besten also, man macht die Kiste zu. Geschieht das mit Hilfe des Deckels und zweier Vorhängeschlösser, dann kann sie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bei der Eröffnung der Ausstellung symbolträchtig aufschließen. Das ist dann ein Akt, aus dem ein schönes symbolträchtiges Foto folgt, wie es im Internet-Bildarchiv des Bundestags zu bewundern ist und das den Bundestagspräsidenten und die Schauspielerin Ulrike Folkerts vor der geöffneten Kiste zeigt. Leider erfährt man in der Bildzeile nicht, dass es sich bei der Kiste um ein Kunstobjekt handelt, und entsprechend wird auch der Name seiner Urheberin nicht genannt. Wahrscheinlich wurde der Umstand gar nicht erwogen, dass es einer besonderen Sorgfalt bedarf, unter das erläuternde Ausstellungsmaterial ein völlig heterogenes Kunstobjekt zu mischen.

Als die Kiste erst einmal fotogen geöffnet war, kam es jedenfalls zu Misstönen. Man entdeckte, dass Shirin Homann-Saadat einen Zettel an der Kiste angebracht hatte mit ihrem Namen und der Notiz, die Kiste müsse wegen Sicherheitsbedenken geschlossen gezeigt werden. Die Bundestagsverwaltung stellte nun fest, dass die Kiste gar nicht mit Vorhängeschlössern, sondern einer Glasplatte gesichert werden sollte. Dem habe die Künstlerin zugestimmt.

Shirin Homann-Saadat widerspricht dieser Darstellung. Man habe über Glas diskutiert, dem sie aber nie zugestimmt habe, einen Schrein für die verfemten Objekt wollte sie nicht bauen. Hautnah sollten die Relikte die Betrachter mit der bitteren Wahrheit der globalen Kriegs- und Industriepolitik konfrontieren. Die Fixierung durch Nägel und Haken habe die Bundestagsverwaltung aber nicht akzeptiert und stattdessen Vorhängeschlösser vorgeschlagen. Auch Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis Landmine.de, der die Kiste aus der Ausstellung entfernte, besteht auf Vereinbarung eines Glasdeckels. Nur das Zeigen der Munition macht für ihn Sinn.

Dabei hat die Idee viel für sich, gerade die geschlossene Kiste mit ihrer Notiz könnte dem Kampf gegen die Landminen dienen. Schließlich legitimieren es Terrorangst und Sicherheitshysterie, von denen die Kiste unfreiwilliges Zeugnis ablegt, weltweit viele Länder mit den Waffen lahmzulegen, die im Paul-Löbe-Haus doch geächtet werden sollen. BRIGITTE WERNEBURG

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