Dubtechno: Die Kälteschockmusik der Saison

Mit "Deepchord presents Echospace: The Coldest Season" und einem Schwung rarer Maxis lebt der Dubtechno wieder auf.

Musik zum Runterkommen: Dubtechno Bild: dpa

Es gibt Platten, die geben schon mit ihrem Titel äußerst genau die Richtung an, in die sie wollen. "Deepchord presents Echospace: The Coldest Season" etwa. Deep, Chord, Echo, Space, Cold. Alles da, bevor man auch nur einen Ton gehört hat. Dubtechno, die Kälteschockmusik der Saison, Musik für die Sehnsucht nach einem Winter mit richtigem Schnee und echtem Eis.

Nun ist das mit Musik und Temperaturmetaphern ja so eine Sache. Es gäbe einigen Grund, Dubtechno für eine warme Musik zu halten. Als die beiden Berliner Produzenten Moritz von Oswald und Mark Ernestus alias Basic Channel Mitte der Neunzigerjahre für die bahnbrechenden ersten Tracks dieser Musik Techno und Dub verschmolzen, strahlte der Basspuls dieser Musik immer auch eine dem Reggae-Einfluss geschuldete Restwärme aus.

Doch auch wenn sich die Ästhetik dieses Genres bis heute mit den vier goldenen Wörtern "Wir mögen Basic Channel" zusammenfassen lässt - von diesem Wärmestrom haben Mike Schommer und Rod Modell, die zwei Produzenten hinter Deepchord, ihre Musik abgeklemmt. Was bleibt, sind die riesigen Echoräume, durch die sie ihre Chords wandern lassen, und das schier endlose granulatgraue Rauschen, das entsteht, wenn ein akustisches Signal wieder und wieder durch Echokammern wandert. Diese Musik braucht nicht nur Platz, sie braucht auch Zeit: Kaum ein Stück ist kürzer als acht Minuten. Oft funktionieren sie wie Klavieretüden: Sie beginnen in einer bestimmten Versuchsanordnung und lassen ihre Chords und Beats dann durch immer wieder gleiche Räume wabern.

Dies ist natürlich Kiffermusik. Oder Musik für das gepflegte Runterkommen. Aber nicht nur. Schommer und Modell leben in Detroit und machen seit Jahren nichts anderes, als die majestätischen Hallen dieser Musik auszuloten - und man kann sie sich wahrscheinlich ähnlich besessen von ihren ständig ändernden dunklen Hallen vorstellen wie der Fotograf Will Navidson in Mark Danielewskis Roman "House of Leaves", der bis zur Selbstaufgabe versucht, dem Geheimnis des expandierenden Universums seiner unheimlichen Kellerräume auf die Spur zu kommen. Sie sind nicht die Einzigen. Die verschiedensten Label aus Kopenhagen, Berlin, München, London und Detroit haben in den vergangenen Monaten Schwung auf Schwung dieser Musik veröffentlicht (der Künstler Jichael Mackson drehte für sein wunderbares Stück "The Grass Is Always Greener " Chris Isaaks "Wicked Games" durch die Mangel) - und das Interessante an dieser Dubtechno-Renaissance ist, wie sie auf eine so faszinierende Weise von ihrem eigenen Verschwinden besessen ist. Fast immer jedoch in kleinen Kleinstauflagen, Maxisingles, die oft einfach nur in einfachen Papier- oder Plastikhüllen lagen, als wollten ihre Macher die Verletzlichkeit dieser raren Ware noch unterstreichen.

Eine Veröffentlichungspolitik, die einem wie die Kehrseite der Tonträgerindustriekrise vorkommt: Wo die Schallplatte kein Massenkonsumgut mehr ist, wird sie von ihren Liebhabern zum auratischen Kunstwerk erklärt. Mit dem für die Macher angenehmen Nebeneffekt, dass viele Käufer Platten ihrer Lieblingslabels ungehört mitnehmen, ein paar Tage später könnten sie ja schon wieder alle sein. Manche Plattenläden (das notorisch gut sortierte Hardwax in Berlin etwa) verkauften zur Vermeidung von Spekulationsgewinnen nur eine Platte pro Person.

Was hat nun der normale Downloader davon? Erst einmal wenig. Ein Grund für die künstliche Verknappung dieser Musik ist ja gerade, dass ihre Macher bei den Hörern die Art von Leidenschaft erwarten, die sich mit begehrten Sounds verband, bevor man sie jederzeit im Netz finden konnte. Trotzdem gibt es natürlich ganz wunderbare Mixe, die man im Netz finden kann (auf der Seite des englischen Bloggers Gutterbreakz zum Beispiel).

Mike Schommer und Rod Modell lösten das Dilemma übrigens so, dass sie zuerst radikal limitierte Promos herausschickten (die mittlerweile hoch gehandelt werden), dann die Musik auf vier ganz normalen Maxis veröffentlichten und dann alles noch auf einer CD versammelten. Und die ist eines der schönsten Alben der letzten Zeit.

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