Von Sanftmut und Eigensinn

Der Dokumentarfilm „Herr Vig und die Nonne“ von Pernille Rose Grokjaer handelt von einem dänischen Exzentriker

Wer sagt denn, dass nur auf den britischen Inseln große Exzentriker gedeihen? Der Däne Jorgen Laursen Vig kann es locker mit den eigenartigsten englischen Schlossbesitzern und den menschenscheusten irischen Einsiedlern aufnehmen. Seine eigenwillige Haar- und Barttracht wirkt so, als habe er sich dazu durch die alten Illustrierungen in Romanen von Charles Dickens inspirieren lassen, und er ist dermaßen sauertöpfisch, eigenbrötlerisch und skurril, wie es sich heute wohl kein Drehbuchschreiber mehr auszudenken trauen würde. Der Satz von der Realität, die oft seltsamer als jede Fiktion ist, wurde mit der Zeit zu einem banalen Allgemeinplatz breitgetreten. Aber immer wieder werden Dokumentarfilme gemacht, die ihn bestätigen. Die dänische Filmemacherin Pernille Rose Gronkjaer hat über fünf Jahre lang Herrn Vig mit der Kamera begleitet, in denen der alte Mann versuchte, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, und ein Kloster in einem alten Schloss zu gründen, das er einst günstig erstehen konnte, und das danach zwanzig Jahren leer stand.

Der ehemalige Gemeindepfarrer und Bibliothekar Vig will sich mit dem Kloster selber ein Denkmal setzten, und bietet der russisch-orthodoxen Kirche an, einer Handvoll von Nonnen und Priestern eine neue Heimat in Dänemark zu bieten. Aus Moskau reist deshalb eine kleine Gruppe von Nonnen an, die das Haus begutachten, und gleich beim ersten Zusammentreffen zeigt sich, dass der Schlossherr in Schwester Amvrosya eine gleichwertige Gegnerin gefunden hat. Als „Dekoration“ hätte er gerne einen buddhistischen Wandbehang in einem der Räume des zukünftigen Klosters gelassen, und auch von dem chinesischen „Opiumbett“ mag er sich nicht trennen. Während er all dies in gönnerhafter Gutsherrenmanier bekannt gibt, schaut die kleine Nonne direkt in die Kamera, schüttelt nur kurz den Kopf, und schon weiß man, wer im Schloss bald das Sagen haben wird.

Auf das Verhältnis dieser beiden Menschen hat sich die Filmemacherin so konzentriert, dass man davon abgesehen kaum etwas erfährt. Der Film zeigt nicht, wie sich das Klosterprojekt in den immerhin fünf Drehjahren schließlich entwickelt oder was Schwester Amvrosya so macht, wenn sie sich nicht gerade mit Vig in den Haaren liegt, und diese nachlässige Erzählhaltung zählt dann auch zu seinen Schwächen. Aber die Perle des Films ist Herr Vig, den wir dabei beobachten können, wie er im hohen Alter die wohl engste menschliche Beziehung seines Lebens aufbaut - und dies zu einer Nonne. Und eine der Qualitäten des Films besteht darin, dass bei diesem Langzeitprojekt Herr Vig und Amvrosya schließlich so vertraut mit der Kamera werden, dass diese einige tiefe und authentische Momente einfangen kann. So ist es zugleich komisch und traurig, mitzuerleben, wie sich Herr Vig langsam aus seiner misanthropischen Isolation heraustraut und einige ganz erstaunlich offenherzige Dinge über sein Leben erzählt. Seine Fixierung auf die Nasen der anderen Menschen mag ja noch ganz komisch sein, aber wenn er sich selber als emotionalen Krüppel bezeichnet, der außer seinem Vater (der alles und jeden ständig kritisiert hat) nie jemanden auch nur gemocht hat, dann spürt man, wie einsam und verbittert dieser Mann gelebt hat. Schwester Amvrosya ist dazu der absolute Gegenpol - und in den besten Momenten des Films stoßen einfach nur diese beiden Temperamente aufeinander. „Es ist schwer mit jemandem zu diskutieren, der immer recht hat“ sagt Vig einmal und macht seiner Kontrahentin damit wohl das schönste Kompliment, zu dem er fähig ist. Wilfried Hippen