dvdesk „the postmodern life of my aunt“
: Lustvolles Streunen

Darin, wie ihr Film virtuos an allem Erwartbaren vorbeierzählt, erweist sich Ann Hui erneut als große Meisterin

In einem öffentlichen Park in Schanghai steht Pan (Chow Yun-Fat, der hier lustvoll sein Helden-Image demontiert), ein nicht mehr junger Mann mit Topffrisur und biederer Kleidung, und singt in hohen Tönen ein klassisches Lied aus der Pekingoper. Es ist der Moment, in dem die auch nicht mehr junge Titelheldin Ye Rutang (Siqin Gaowa), die viel in der Stadt unterwegs ist, ihn erst fasziniert hört, dann – nicht mehr ganz so fasziniert – erblickt.

Vielleicht verliebt sie sich in ihn, vielleicht liebt sie auch nur die Musik, jedenfalls ist es der Beginn einer nicht immer wunderbaren, zuletzt sogar ziemlich verhängnisvollen Freundschaft. Sie lässt sich erweichen, Pan, der immerzu Dichter zitiert, Geld zu leihen, das sie selbst eigentlich auch nicht hat. Pan bedankt sich, zitiert wieder einen Dichter und macht sich davon.

Das ist, anders als zunächst gedacht, nicht das Ende der Geschichte. Später haben Pan und Ye Sex, später singen sie nach dem Sex im klassischen Kostüm klassische Lieder aus der Pekingoper, später gehen sie schwimmen, und Yes selbstgestrickter knallroter Ganzkörper-Wollbadeanzug zieht nicht nur im Schwimmbadwasser rote Schlieren, sondern auch seine Trägerin in die Tiefe. Noch später stürzen sie sich mit Ye Rutangs nun wirklich allerletztem Geld in die Spekulation mit Grabgrundstücken auf dem Friedhof.

Im Leben der Heldin bleibt dieser Mann, der Ye Rutang zuletzt eher teuer als lieb sein wird, dennoch eine Episode. Überhaupt ist der Film „The Postmodern Life of My Aunt“ der Regisseurin Ann Hui recht lose strukturiert, reiht Episoden und Miniaturen aneinander und verzichtet mit sehr schöner Souveränität darauf, sie zu einer stringenten Geschichte zu verbinden.

Die Perspektive, die der Titel vorgibt, ist die des Neffen, der seine Tante zu Beginn des Films in Schanghai besucht. Ehe man sich’s versieht, ist er jedoch aus dem Film verschwunden und kehrt erst ganz am Ende zurück. Diese Form eher abrupter Auf- und Ab- und Wiederauftritte bestimmt über weite Strecken den Rhythmus. Ye Rutang ist ganz fraglos sein Zentrum, aber mit ihr gerät der Film lustvoll ins Streunen. Vor allem durch die Straßen und Gassen des alten Schanghai, denen er Bild für Bild seine Liebe erklärt. Bei ein paar Gelegenheiten nimmt sich die Kamera sogar die Freiheit, von den Figuren wegzuschwenken, hinein in die bunte Altstadt-Schilderwelt, hinein ins Off, in dem sich gar nichts für die Geschichte Wichtiges ereignet.

„The Postmodern Life of My Aunt“ beginnt quicklebendig und schreckt auch vor groben Scherzen nicht zurück. Für ein paar Momente zu Beginn sieht seine Heldin mit ihrem knallgrünen Sonnenschirm gar aus wie eine lächerliche Figur. Je länger der Film aber dauert, je lieber man seine Titelheldin, ihren anstrengenden Zügen zum Trotz, gewinnt, desto deutlicher wird: Eigentlich geht es in seinem Kern ums Altern, um Versehrung und Schicksalsschläge und das Schwinden der Lebenskraft.

Ye Rutang, erfahren wir spät im Film, hat sich das kleine Glück in Schanghai hart erkämpfen müssen, und das bisschen Freiheit hatte einen sehr hohen Preis. Sie hat ihren Mann und ihre Tochter, mit denen sie in der Mandschurai lebte, verlassen. Die Sehnsucht nach Schanghai im Herzen, den Koffer in der Hand. Sie hat eine kleine Wohnung in der großen Stadt gefunden und sich so durchgeschlagen.

Sicherheiten hat sie nicht, und deshalb steuert der Film, als aller hart erarbeiteter Lebenskredit aufgebraucht ist, auf ein bitteres Ende zu, von dem die zuvor meist heitere Geschichte nicht den Hauch einer Ahnung vermittelte. Aber gerade darin, wie sie im Großen und im Kleinen virtuos an allem Erwartbaren vorbeierzählt, erweist sich die im Westen schrecklich unterschätzte Ann Hui erneut als große Meisterin.

Die günstigste Version der DVD ist für 8 Dollar ohne zusätzliche Versandkosten bei www.yesasia.com erhältlich. Eine Doppel-DVD-Version bietet zum Beispiel www.adrenafilm.de.