Wo die Kinderlein herkommen

„Der lange Weg ans Licht“ von Douglas Wolfsperger ist ein Film über das Gebären

Im Kino werden mehr Menschen getötet als geboren. Die Geburt ist solch ein elementarer, kreatürlicher und intimer Moment, dass die meisten Regisseure seltsamerweise auch heute noch davor zurückschrecken. Es gibt nur wenige Filme, in denen auch nur halbwegs realistisch gezeigt wird, wie ein Kind auf die Welt kommt. Und dann wird es meist, wie etwa zuletzt in „Children of Men“ von Alfonso Cuaron, als ein nahezu religiöser Schöpfungsakt stilisiert. Und abgesehen von Lehrfilmen gibt es auch wenige Dokumentationen zu diesem Thema.

Deshalb ist es nur verständlich, wenn Douglas Wolfsperger in seinem Film die Geburten dramaturgisch einsetzt, als wären es die Tanznummern in einem Musical. So zeigt er eine Hausgeburt, eine Entbindung im Kreißsaal, einen Kaiserschnitt und eine Geburt in Tansania, bei der die Frau nicht schreit, weil dies den Sitten des Landes nicht entspricht, und Schande über die Familie bringen würde.

Aber Wolfsperger will mehr als nur eine Reihe von unterschiedlichen Geburten zeigen, und dies ist zugleich eine Stärke und eine Schwäche seines Films, bei dem man oft das Gefühl hat, der Regisseur habe sich nicht entscheiden können, was der denn nun überhaupt erzählen will. So ist „Der lange Weg ins Licht“ auf einer Ebene auch das Porträt der Hebamme Edeltraut Hertel, die seit 20 Jahren abwechselnd in der sächsischen Kleinstadt Meerane und einem missionarischen Krankenhaus in Tansania Kinder zur Welt bringt. Diese Biografie einer in der DDR ausgebildeten Christin, die ihre Jugendträume von einem Leben in Afrika verwirklichen konnte, indem sie noch als über 30-Jährige eine Ausbildung als Hebamme machte, ist interessant erzählt und die Protagonistin hat auch solch eine selbstbewusst sympathische Ausstrahlung, dass man ihr gern bei ihren Erinnerungen zuhört. Während sie in Afrika die Arbeit kaum bewältigen kann, gibt es in ihrer Heimatstadt immer weniger Kinder, und die abnehmende Geburtenrate, die in den neuen Bundesländern besonders extrem ist, wird auf einer weiteren Ebene behandelt. Und hier passiert dem Regisseur der erste Stilbruch, denn plötzlich rufen da Bürger von Meerane mit markigen Sprüchen zur Volksvermehrung auf: „Hört Rock’n’Roll und macht Kinder“ jubelt ein Altrocker, dessen Slogan zum Glück eher ein Ausrutscher und nicht typisch für die Dokumentation ist.

Diese liefert auf der nächsten Ebene eine Momentaufnahme des alltäglichen Lebens in einem sommerlichen sächsischen Städtchen, das noch nicht so recht aus dem Dornröschenschlaf der mitteldeutschen Lethargie erwacht ist. Wolfsperger hat dafür das schöne Bild eines Uhrmachers gefunden, der sich stolz vor einer Wand mit Dutzenden von Kuckucksuhren aufnehmen lässt. Auch sonst beweist der Regisseur hier ein feines Gespür dafür, wie Menschen vor der Kamera wirken. So lässt er zwei Oberärzte aus Meerane die Vorteile ihrer Geburtsklinik anpreisen, und dabei zeigt sich bald, dass das Verhältnis der beiden zueinander viel spannender ist als ihre Aussagen selbst. Solche oft auch komischen Stimmungsbilder machen den Film sehenswert, schwach und langatmig wird er aber immer dann, wenn Wolfsperger versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Die letzten 30 Minuten des Films sind reine Lektionen über Themen wie Stillens, Abtreibung, Kaiserschnitt, Ultraschall usw. Auf einer DVD wäre dies gutes Bonusmaterial, aber im Kino kann es einem den Spaß verderben. Warum muss Wolfsperger auch noch die Nachgeburt zeigen? Wilfried Hippen