Die Linke: "Das sind keine dummen Leute"

Die Linkspartei hat in NRW ihren Landesverband gegründet - getragen von Exsozialdemokraten. Dass die neue Partei politik- und koalitionsfähig wird, hofft der DGB-Chef in NRW, Guntram Schneider.

"Das ist Fleisch von unserem Fleische," meint SPDler Schneider. Bild: dpa

taz: Herr Schneider, wann treten Sie zur Linken über?

Guntram Schneider: Ich bin Sozialdemokrat und habe in der SPD meine Heimat - und daran wird sich auch nichts ändern.

Aber Sie scheinen ein gewisses Faible für die Linke zu haben. Hätten Sie sonst deren NRW-Gründungsparteitag in Gladbeck persönlich Ihr Grußwort überbracht? Bei der Gründung der Grünen schaute seinerzeit kein DGB-Vertreter vorbei.

Das waren andere Zeiten. Ich bin von der Linken eingeladen worden und selbstverständlich erscheine ich dann auch hier.

Der FDP-Politiker Gerhard Papke meint, Sie machten sich so zum "Steigbügelhalter einer mit Extremisten durchsetzten, wirren Truppe".

Solange ich DGB-Vorsitzender in NRW bin, wird mir kein FDPler und auch sonst niemand vorschreiben, wo und mit wem ich reden darf. Wir sind eine Einheitsgewerkschaft und versuchen, inhaltlich orientiert mit allen politischen Parteien ein gutes Arbeitsverhältnis aufzubauen.

Ihr Besuch in Gladbeck war also nur ein Akt der Höflichkeit?

Ich würde auch einer Einladung zu einem Parteitag der FDP folgen. Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass in dieser neuen Partei viele Gewerkschafter aktiv sind. Außerdem gibt es in sehr wichtigen politischen Fragen eine Übereinstimmung zwischen der Linken mit gewerkschaftlichen Positionen. Darüber kann ich mich doch nicht ärgern. Das wäre geradezu absurd. Mit der SPD stimmen wir in zentralen landespolitischen Fragen übrigens auch weitgehend überein.

Als die SPD in NRW noch regiert hat, war das anders. Freut es Sie, dass die SPD nun in der Opposition ist?

Das wäre ja noch schöner! Ich erlebe derzeit, was es bedeutet, wenn Parteien regieren, die nicht so viel mit den Gewerkschaften zu tun haben. Es gibt Angenehmeres. Dass man mit der SPD in Regierungsverantwortung auch Auseinandersetzungen hat, das ist für mich klar. Aber die führe ich trotzdem lieber.

Glaubt man den Umfragen, wird das noch dauern. Befürchten Sie nicht, dass die SPD zwischen einem sich sozial gebenden CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und der Linken Seite zerrieben wird?

Das glaube ich nicht. Rüttgers hat 2005 gewonnen, weil viele ArbeitnehmerInnen ihn gewählt haben. Es gibt indes bei Rüttgers eine erhebliche Diskrepanz zwischen seinen programmatischen Äußerungen und dem, was er praktisch tut. Da kann ich nur August Bebel zitieren: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!

Aber war es nicht Rüttgers, der als Erster vorgeschlagen hatte, älteren Erwerbslosen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I zu verlängern - lange vor Kurt Beck?

Es stimmt, dass Rüttgers schon vor Monaten dieses Thema aufgegriffen hat. Sein praktischer Vorschlag ist jedoch unsozial, weil er zu Lasten der jüngeren Erwerbslosen gehen soll. Deswegen bin froh, dass Kurt Beck jetzt dieses Thema aufgreift. Seine Initiative ist auch eine Reaktion darauf, dass gerade dieser Punkt bei vielen Ex- und Noch-Stammwählern der SPD als zutiefst ungerecht empfunden wird.

In Umfragen rangiert die Linke zurzeit in NRW zwischen sechs und acht Prozent. Hoffen Sie auf eine Koalition der SPD mit der Linken nach der nächsten Landtagswahl 2010?

Es ist nicht meine Aufgabe, darüber zu spekulieren. Ich sehe ein Fünf-Parteien-System, das sich etabliert. Die Karten werden neu gemischt - das muss für die Gewerkschaften nicht unbedingt schlecht sein. Aber die neue Partei muss sich erst finden. Sie muss klarmachen, welches Programm sie vertritt und welche Gesichter sie repräsentieren. Das ist noch in der Schwebe, wir haben ja gerade erst den Gründungsparteitag erlebt. Doch wenn es bestimmte Kräfteverhältnisse gibt, dann besteht die Chance, dass sich dies auch in Koalitionen dokumentiert.

Es scheint so, als hätten Sie bei der Linken in Gladbeck viele alte alte Freunde getroffen. Täuscht der Eindruck?

Nein, da saßen sehr viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die ich zum Teil seit Jahrzehnten kenne. Und da saßen sehr viele Exsozialdemokraten. Die werden doch nicht zu meinen Gegnern, weil sie einer anderen Partei angehören.

Aber müssen Sie als SPD-Mitglied nicht schwermütig werden, wenn Sie hier so vielen Exgenossen begegnen?

Die SPD hat eine Politik betrieben, die zu erheblichen innerparteilichen Spannungen geführt hat, auch zu politischem Frust, der sich jetzt in dieser Partei dokumentiert. Ich kann mir zwar Schöneres vorstellen, aber wenn viele Menschen - und das sind nicht die dümmsten, das sind politische Leute, die konzeptionell denken - eine neue Partei gründen, muss ich das zur Kenntnis nehmen. Es stimmt schon, das ist Fleisch von unserem Fleische.

INTERVIEW: PASCAL BEUCKER

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