DER ÖLPREIS LIEGT BEI HUNDERT DOLLAR, WEIL DER ROHSTOFF ENDLICH IST
: Kurz vor dem Höhepunkt

100 Dollar! Das ist saftig. Die Psychologie dieser Zahl ist nicht zu unterschätzen. 100 Dollar sind eine historische Marke auf dem Weg in die zweite Halbzeit des Ölzeitalters, in die ungemütliche. Im Januar 2007 stand das Barrel noch bei 62 Dollar. Gerade jetzt hätte sich der Preis eigentlich erholen sollen. Schon nach dem Ende der spritsaufenden „driver-season“ in den USA im August 2007 hatten die meisten Finanzexperten fallende Preise prognostiziert. Dann ging die Hurrikan-Periode ohne große Schäden an den Öltürmen zu Ende. Wieder keine Erholung. „Aber im Winter werden wir 70 Dollar sehen“, raunten die Bänker. Von wegen! Seit Monaten stehen die Finanzmärkte ohne plausible Erklärungsmodelle vor der Sphinx des Ölpreises. Spekulationen! Iran-Krise! Streiks in Nigeria!, heißen die immer gleichen Stichworte.

Doch der Ölpreis ist eben nicht vorrangig von Spekulationen getrieben und auch nicht von „geopolitischen Verwerfungen“. Die beiden Faktoren mögen zu je zehn Prozent in den 100 Dollar enthalten sein. Der Rest ist fundamentaler Natur. Auf Deutsch: Die Ölversorgung hat Mühe, mit der steigenden Nachfrage mitzuhalten. Diese Einschätzung wird längst auch von der konservativen Internationalen Energie-Agentur geteilt, der wichtigsten Energieadresse für OECD-Staaten. Ihre Monatsberichte beginnen mit immer demselben Stoßseufzer: der Sorge, dass die Förderung nicht mehr hinterherkommt. Um 10,2 Prozent legte die Öl-Nachfrage 2007 in Indien zu, um 7,2 Prozent in Südkorea, 4,4 Prozent in China.

Höchste Zeit, ein Wort in den Mund zu nehmen, das Ökonomen meiden wie der Teufel das Abendgebet: „Endlichkeit!“. Der Ölpreis spiegelt auch und vor allem die Endlichkeit der Ressource wieder. Die Förderung kann eben nicht beliebig gesteigert werden, sie steht unmittelbar vor ihrem Höhepunkt – dem berühmten Peak – und sie wird nach 2010 zurückgehen. Die Welt ist auf dieses Ereignis nicht vorbereitet. Der Ölpreis wird dann auf 200 Dollar klettern – eine Zahl, die uns heute genauso undenkbar erscheint, wie es die 100 Dollar vor zwölf Monaten waren. MANFRED KRIENER