Giftmüll-Skandal auf dem Land

Mindestens 300 Tonnen illegal gelagerten GiftmülI fand die Polizei in Lagerhallen im Kreis Northeim. Die Behörden entdeckten Stoffe wie Quecksilber, Formaldehyd und Kalilauge. Nun ermitteln sie gegen einen Recycling-Unternehmer

Die Polizei in Südniedersachsen ermittelt in einem handfesten Umweltskandal. Ein Recycling-Unternehmer hat in den Dörfern Fredelsloh und Lauenberg im Kreis Northeim offenbar über Jahre mehrere hundert Tonnen giftige Abfälle illegal in und neben Lagerhallen deponiert. Die von der Polizei am Donnerstag und Freitag entdeckten Stoffe gelten teilweise als hochgiftig.

Bei der Durchsuchung von drei Hallen sowie der Privatwohnung des Beschuldigten stießen die dabei von anderen Behörden unterstützten Beamten unter anderem auf so umweltschädliche Chemikalien wie Quecksilber und Formaldehyd, auf brennbare Flüssigkeiten aller Art sowie auf Computer- und anderen Elektroschrott. Das Material lagerte in Fässern und Kisten teilweise unter freiem Himmel. Zudem standen dort nach Polizeiangaben auch viele verrostete Kanister oder offene Behälter mit Giftmüll.

Die Ermittler fanden auch Kondensatoren mit Krebs erregenden polychlorierten Biphenylen (PCB). PCB sind Chlorverbindungen, die bis in die 1980er-Jahre auch in Transformatoren eingesetzt wurden. Als Folge von Unfällen und unsachgemäßer Entsorgung haben sich PCB-Verbindungen in der Nahrungskette angereichert. Typische Auswirkungen sind Chlorakne, Haarausfall, Leberschäden und Schäden des Immunsystems.

Die Sichtung und Bergung der Gifte und Abfälle werde noch mehrere Tage oder sogar Wochen dauern, sagte ein Polizeisprecher. Er bezifferte die Gesamtmenge der Giftstoffe auf „mindestens 300 Tonnen“. Zumindest ein Raum konnte zunächst nicht von Polizisten betreten werden, weil von dort giftige Gase entwichen.

„Bei einem Brand auf dem Gelände hätten wir hier eine Katastrophe gehabt“, sagte ein bei der Durchsuchung in Lauenberg beteiligter Beamter. Nach seiner Einschätzung hätte ein Teil des Giftmülls bei Kontakt mit Feuer lebensgefährliches Dioxin freisetzen können. Die kreuz und quer nebeneinander gelagerten Chemikalien seien eine tickende Zeitbombe. Nur 50 Meter Luftlinie vom der Halle entfernt befindet sich ein Kindergarten.

Die Lagerhallen waren von dem Recycling-Unternehmer gemietet worden. Der 37-Jährige ist Geschäftsführer der Einbecker Firma GeReSo, die im Internet als „Entsorgungsfachbetrieb“ und „Chemiehandel“ für sich wirbt. Für eine Stellungnahme war in dem Unternehmen gestern niemand zu erreichen.

Der Geschäftsführer soll in den vergangenen Jahren den Giftmüll in den Hallen illegal angesammelt haben. Der Vermieter der Lauenberger Halle will schon vor Jahren geahnt haben, „dass da etwas nicht stimmt“. Zunächst sei in dem Gebäude nur Elektroschrott gestapelt worden, später blaue Tonnen mit „komischen Flüssigkeiten“. Er habe den Recycling-Unternehmer aufgefordert, sich andere Lagerflächen für seinen Abfall zu suchen. Getan habe sich aber nichts. Auch das von ihm eingeschaltete Gewerbeaufsichtsamt sei zunächst nicht eingeschritten. Bereits seit 1992 ist das Grundstück an die Entsorgungsfirma des Mannes vermietet.

Die Polizei beschlagnahmte in der Geschäftsstelle Ordner mit Korrespondenz und Formularen. Die sichergestellten Unterlagen sollen Klarheit darüber bringen, von wem die Abfallstoffe stammen. Gegen den Inhaber, der den Behörden zufolge keinerlei Genehmigung für die Lagerung des Giftmülls in den Hallen hatte, wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es bestehe der Verdacht des Betreibens einer nicht genehmigten Anlage und der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Abfällen, sagte ein Polizeisprecher. Des Weiteren werde wegen Verstößen gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz und das Chemikaliengesetz ermittelt. Reimar Paul