urdrüs wahre kolumne
: Out of control

„Weniger bezahlen heißt nicht, weniger geliebt zu haben“, beteuert der Bremer Niedrigpreisbestatter Stefan Grawe vom „Bestattungshaus ViAldi“. Plastikkränze außerhalb des Sortiments gibt es allerdings nur für begrenzte Zeit – wir empfehlen Ihnen, sich zu bevorraten.

Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann, der selbst unter den Seinen als Skinhead im Konfirmandenanzug gilt, wurde jetzt von der Flüchtlingsorganisation „Jugend ohne Grenzen“ für seine rüpelhafte Deportationspolitik mit der „Goldenen Rute“ ausgezeichnet. Welcher Knecht Ruprecht fühlt sich berufen, dieselbe auch zur feierlichen Stäupung des Geehrten zu schwingen?

Verzweifelt versuchen im Moment die Beschäftigten des Einzelhandels, sich aus der Sklaverei ständiger Verfügbarkeit zu befreien – doch fehlt es den Schnäppchenjägern im Lande an jedem Funken Solidarität: Sie fallen nach wie vor wie die Heuschrecken in die Geschäfte ein, schwärmen von Shopping ohne Limit und behaupten unmündigen Kindern gegenüber, dies auch noch im Dienst des Weihnachtsmanns zu tun. In Bremen haben zwei Nikoläuse just an ihrem Ehrentag einen erfolgreichen Angriff auf ein Bankinstitut gestartet und damit signalisiert, dass sie nicht länger bereit sind, die Sozialisationsagenturen des Einzelhandels ungestört zu lassen. In Hamburg wird vielleicht am heutigen Sonnabend ein Anfang gemacht bei der adventlichen Demonstrations-Gala „Out of control“. Wenn’s hilft …

Wie weit unternehmerische Willkür heute geht, belegt eine als Stellenanzeige getarnte Versklavungs-Offerte der Hamburger Morgenpost. Darin wird ein „überdurchschnittlich belastbarer Polizeireporter“ gesucht: „Für die Erfüllung dieser Aufgabe sind Sie an 7 Tagen in der Woche rund um die Uhr einsatzbereit.“ So ein Elendswurm – bezahlt allerdings nur auf Basis einer 5-Tage-Woche – soll dann auch noch über eine farbig-spannende Schreibe, die Fähigkeit zur hartnäckigen und genauen Recherche sowie fotografische Kenntnisse verfügen. Kurz: Verlangt wird ein Heavy user von Koks und Amphetaminen, die er sich vermutlich über gute Kontakte direkt aus der Asservatenkammer beschaffen soll. Oder muss das der Betriebsrat über die Kantine regeln?

Das Jugendamt in Hannover inspiziert jetzt regelmäßig die Problemfamilie Schröder und ihre Adoptivkinder. Vater Gerhard treibt sich in zwielichtigen Geschäften mit dubiosen Gestalten in der Weltgeschichte rum, Mutti Doris macht nächtens bei Reinhold Beckmann und Konsorten durch – und weit und breit keine Babitschka, die nach dem Rechten sieht: Am Ende bleibt alles an Tochter Klara hängen!

Dringliche Mahnung an Vorstand, Fraktion und Mitarbeiterschaft der Bremer Linken: Wenn ihr euch und uns kurz vorm Fest der Liebe weiterhin so mit eurem infantilen Dauerzoff, der kollektiven Gockelei, Speckjägerei und egomanen Trotzköpfigkeit auf den Senkel geht, komme ich mit meinem großen starken Freund August vorbei und dann setzt es Backenfutter. Mit Marx und Engelszungen beschwöre ich euch einstweilen noch zu Versöhnungsritualen.

Rettet die Zärtlichkeit, mahnt nicht nur in diesen Tagen ULRICH „Rednose“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist, Kabarettist und Freund des Prekariats, hat keinen Bedarf am Einkauf rund um die Uhr.