Ramba Zamba für die Kameras

Seit Herbst 2006 sitzt die NPD im Landtag von Meck-Pomm und versucht, über Provokationen die Agenda zu bestimmen. Die demokratischen Parteien wehren sich nach Möglichkeit. Eine Bilanz

Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, mit Sitz im Schweriner Schloss, umfasst 71 Abgeordnetenmandate. Die Sitzverteilung gestaltet sich seit der Wahl von 2006 wie folgt: SPD: 23 Sitze, CDU: 22 Sitze, Die Linke: 13 Sitze, FDP: 7 Sitze und NPD: 6 Sitze. Nach achtjähriger rot-roter Koalition führte Ministerpräsident Harald Ringstorff seine Sozialdemokraten nach der Landtagswahl 2006 in eine große Koalition mit der CDU. Während die SPD gegenüber der Wahl von 2002 10 Mandate verloren hatte, waren FDP und NPD die Gewinner der Wahlen von 2006. Die Liberalen schafften seit 1990 erstmalig wieder den Einzug ins Schweriner Schloss, die NPD war zuvor überhaupt noch nicht im Mecklenburger Landtag vertreten. TAZ

VON ANDREAS SPEIT

Es war eine demokratische Wahl, die der NPD im September 2006 den Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ermöglichte. Gleichwohl gehöre die NPD „nicht zu den demokratischen Parteien“, sagt Sylvia Bretschneider (SPD), die Präsidentin des Landtags im Schweriner Schloss. Und das ist keine Unterstellung: NPD-Fraktionschef Udo Pastörs sagt selbst, er sei „kein großer Freund dieser Form des Parlamentarismus“.

Seit einem Jahr und fast vier Monaten gehört die NPD nun dem Landtag an. Die sechs NPD-Abgeordneten, Pastörs, Stefan Köster, Michael Andrejewski, Tino Müller, Birger Lüssow und Rainer Bormann sitzen rechts außen im Plenarsaal – der etwas größere Abstand der Sitze zu denen der demokratischen Parteien fällt auf. Es ist eine Distanz, die Pastörs recht sein dürfte: Die „Demokratenfratzen“, sagt er gerne bei Parteiveranstaltungen, müssten mit „Besen aus Stahlborsten“ aus den Ämtern gejagt werden. Es ist eine Wortwahl, die an den Stammtischen der politisch Verdrossenen und sozial Enttäuschten Eindruck macht. „Die da oben, wir hier unten“, ist die ständige Botschaft der NPD.

Bislang 81 Ordnungsrufe

Selbstsicher geht Pastörs zum Rednerpult. Geübt führt er die NPD-Positionen aus, sein Ziel ist die Provokation. Etwa in der Sozialpolitik. „Sie sprechen von der Unterstützung benachteiligter Menschen“, doch „unser erstes Augenmerk hat dem Gesunden und Starken zu gelten“, sagt er. Pastörs beantragte außerdem die Streichung des Paragraphen 130, der den Tatbestand der Volksverhetzung definiert. Der Paragraph stelle ein „Denkverbot“ dar und gewähre „Sonderrecht für Minderheiten“, sagt Pastörs.

Landtagspräsidentin Brettschneider berichtet, die anderen Fraktionen hätten schon vor der Wahl im September 2006 überlegt, wie sie vermeiden könnten, der NPD „auch nur einen Millimeter mehr Raum einzuräumen, als unbedingt nötig ist“. Eine Idee war eine Redezeit-Verkürzung, der die demokratischen Parteien zustimmten. Eine Weitere, dass nur ein Abgeordneter für alle Fraktionen die Gegenrede halten soll, damit die NPD nicht die ganze Sitzung bestimmt.

Zum NPD-Antrag auf eine Streichung des § 130 sagte Bretschneider: „Sie wollen also, dass straflos zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt werden könnte“ und dass „ohne Weiteres geleugnet werden darf, dass Homosexuelle oder Andersdenkende während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft inhaftiert und getötet wurden“. Die NPD reagierte mit Zwischenrufen, auf die wiederum Ordnungsrufe des Landtagspräsidiums folgten – seit die NPD ins Schloss einzog, ist das ein alltägliches Szenario geworden.

„Sie provozierten alleine 81 Ordnungsrufe“, sagt Mathias Bordkorb, SPD-Landtagsabgeordneter. „Die Skandale werden bewusst herbeigeführt“, meint er, denn die Fraktion wolle der eigenen Szene zeigen, dass sie sich nicht angepasst hat – und zugleich möchte sie jene 20 Prozent der Wähler ansprechen, die ein offenes Ohr für Populismus haben. „Sie wissen, dass Sprüche über faule Minister gut ankommen“, sagt Brodkorb.

Die Partei weiß ebenso, dass sie mit dem Leid von Kindern Stimmung machen kann. „Warum gehen sie so achtlos mit den kleinen Knirpsen um?“, fragte der NPD-Abgeordnete Köster am 12. Dezember. In der aktuellen Stunde will er den Hungertod der kleinen Lea Sophie auf die Tagesordnung setzten. Der Mehrheit des Hauses wirft er vor, einen früheren NPD-Gesetzesentwurf zu „Früherkennungsuntersuchungen“ abgelehnt zu haben. Eine populistische Aktion, sagt Brodkorb. Den Entwurf hätte die NPD damals nämlich von der CDU aus dem Saarland kopiert. Ihn überraschte wenig, dass die NPD im Verlauf der Sitzung der Bearbeitung eines Gesetzentwurfs zur „Untersuchungspflicht für Kinder“ in den Ausschüssen nicht zustimmte.

In den Ausschüssen, wo die Abgeordneten die parlamentarische Arbeit ohne öffentliche Bühne bewältigen, bringt sich die NPD kaum ein. „Sie konzentrieren sich voll auf die Landtagssitzungen, da veranstalten sie Ramba Zamba“, sagt Brodkorb, denn „da sind die Kameras“.

Sitze bedeuten Geld

In der Wirtschafts- und Sozialpolitik geriert sich die NPD als Vertreter der sozial Schwachen. Über die Diäten der Politiker wettert sie im Parlament gerne. Nicht so öffentlich versuchten sie Änderungen des Abgeordnetengesetztes zu kippen. „Mit der Anpassung“, erklärt Bretschneider, wurde „eine Überfinanzierung kleiner Fraktionen verhindert“. Vor dem Landesverfassungsgericht scheiterte die NPD. Auch die anderen kleinen Fraktionen hatten den Änderungen zugestimmt. „Wir haben eine gemeinsame Linie gefunden“ hebt Bretschneider hervor und betont, „die wird bis heute durchgehalten.“ Beschlossen wurde ebenso, dass Fraktionsmitarbeiter polizeiliche Führungszeugnisse vorzeigen müssen. Beliebte Bekleidungsmarken der Rechtsextremen wurden als dem Hause „unwürdig“ verbannt. „Politische Zensur“ klagte Pastörs.

Die NPD ärgert auch, dass das Internet-Projekt „Endstation Rechts“ ihre Arbeit kritisch dokumentiert. Das Projekt veröffentlichte die Parlamentsbezuschussung der NPD. Die Fraktion erhält jährlich 1.275.210,60 Euro – Geld mit dem sie zwölf Kameraden einstellte. Es ist nicht die einzige finanzielle Unterstützung der Fraktion für die „nationale Bewegung“: In Rostock etwa eröffnete der NPD-Mann Lüssow sein Bürgerbüro in dem Haus, in dem sich auch der Szeneshop „East Coast Corner“ befindet. Um die Miete braucht sich der Vermieter nicht mehr zu sorgen.