„Die CDU bewegt sich erstaunlich“

Nicht nur die Grünen, auch die Hamburger CDU hat ein Problem, ihren Wählern eine schwarz-grüne Koalition zu vermitteln. Denn CDU-Wähler sind älter und eher unflexibel, was Neuerungen angeht, sagt der Politikwissenschaftler Friedbert W. Rüb

Interview: MARCO CARINI

taz: Herr Rüb, die Hamburger CDU gäbe einiges für Schwarz-Grün. Kommen da die CDU-Wähler noch hinterher?

Friedbert W. Rüb: Der Wähler wird diesen radikalen Kurswechsel in erstaunlich kurzer Zeit nur schwer mitgehen können und als ratloser Wähler zurückbleiben. Die CDU verfügt über ein sehr altes Wählerpotenzial – mit vielen über 55-jährigen – das in seiner Weltsicht relativ inflexibel ist. Bei den jüngeren Wählern aber könnten neue Wählergruppen hinzutreten. Da die CDU sich kurz- und mittelfristig programmatisch und personell verjüngen und jüngeren Wählerschichten öffnen muss, bietet der Hamburger Schwenk der Partei auch eine Chance.

Ist der Wandel der Hamburger CDU inhaltlich oder strategisch motiviert?

Beides. Es ist zunächst natürlich der machtstrategische Versuch, an der Regierung zu bleiben, und dort möglichst viel Einfluss zu behalten. An einigen inhaltlichen Punkten beweist die CDU aber eine Öffnung zu neuen Themen und Positionen. Die CDU bewegt sich im Vergleich zu anderen Parteien in einigen Punkten erstaunlich.

Wo bleibt das Profil einer Partei, die sich mal verhärtet wie in Hessen, mal formbar wie in Hamburg präsentiert?

Das Profil verwischt sich zunehmend, was es für die Partei insgesamt schwieriger macht. Wir haben in den verschiedenen CDU-Landesverbänden vielfältige Entwicklungsrichtungen, so dass der Eindruck der Uneinheitlichkeit entsteht und nicht klar ist, wohin die Partei sich bewegt.

Droht auf der anderen Seite den Grünen eine Glaubwürdigkeitskrise?

Das glaube ich nicht. Die Grünen haben zwar eine Koalition mit der SPD präferiert, Schwarz-Grün aber nie definitiv ausgeschlossen. Die Hamburger Koalitionsbildung ist für die GAL jedoch eine kleine Kulturrevolution, die bei bisherigen Wählern und Mitgliedern zu einer großen Verunsicherung führen kann. In welchem Ausmaß das geschieht, ist noch offen.

An der GAL-Basis ist – wenn auch minderheitlich – von Verrat die Rede.

Nur wer innerhalb der Grünen eine ganz bestimmte, auf Linksorientierung fixierte Position hat, kann so etwas behaupten. Von der Programmatik der GAL her ist das eine völlig übertriebene Charakterisierung.

Derzeit taucht das böse Wort der „grünlackierten FDP“ wieder auf: Verliert oder gewinnt die GAL durch ihre Öffnung hin zu neuen politischen Konstellationen an Profil?

Sie wird an Profil gewinnen, weil die FDP zu einer bizarren Karikatur des Liberalismus verkommen ist, die derzeit weder sozialpolitische Themen noch die für sie lange Zeit identitätsbildende Frage der Bürgerrechte besetzt. Da könnten die Grünen reinstoßen, von der Krise der FDP profitieren und sich neue Wählerschichten erschließen.

Welche Gefahren liegen für die GAL in einer Koalition mit der CDU? Ihre bisherigen Koalitionspartner hat die Hamburger CDU stets in die Bedeutungslosigkeit überführt.

Die Gefahr besteht auch für die GAL, aber sie ist nicht besonders groß. Zwischen CDU und GAL wird es eine sichtbare Arbeitsteilung geben. Beide Parteien werden bestimmte Themen inklusive der dazugehörigen Ministerien besetzen und ihre programmatischen Ziele relativ eigenständig verfolgen. Da beide Parteien nur im geringen Maße um dieselben Wählergruppierungen konkurrieren, ist so ein arbeitsteiliges Regierungsmodell möglich.

Wie lange wird Schwarz-Grün bundesweit isoliert bleiben?

Noch lange. Hamburg ist als kleiner Stadtstaat nicht ohne Weiteres mit anderen Flächenländern oder gar dem Bund vergleichbar. Die Partei ist auf Bundesebene nicht so weit wie ihre Hamburger Führung und die Kooperation mit der CSU ist eines der größten Hindernisse dafür, dass sich das Hamburger Modell auf den Bund übertragen lässt.

Fotohinweis:FRIEDBERT W. RÜB, 55, ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg.