Metallgewerkschaft sperrt taz-Reporter aus

IG-Metall-Sprecher: taz wird nur dann zum Gewerkschaftstag zugelassen, wenn sie sich für Stalin-Zitat entschuldigt

Für die taz ist das Verhalten der IG Metall eine Einschränkung der freien Berichterstattung

BERLIN taz ■ In der Berichterstattung über den Gewerkschaftstag der IG Metall musste die taz am Dienstag auf Agenturmeldungen zurückgreifen. Die Gewerkschaft verweigerte zwei taz-Redakteuren die Teilnahme in Leipzig.

IG-Metall-Sprecher Jörg Köther hatte bereits am Sonntag dem taz-Redakteur Thilo Knott mitgeteilt, dass die IG Metall ihn zum Gewerkschaftstag nicht zulässt. „Schicken Sie jemand anderes.“ Daraufhin fuhr Ulrich Schulte nach Leipzig – und wurde abgewiesen. „Die IG Metall kann nicht mit einer Zeitung zusammenarbeiten, die ihren Vorsitzenden mit Josef Stalin, einem der größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts, vergleicht“, sagte der Leiter der Presseabteilung der IG Metall, Georgios Arwanitidis, der taz.

Gegenüber dem Deutschen Journalistenverband DJV machte die Presseabteilung der mächtigsten deutschen Gewerkschaft deutlich, unter welchen Umständen sie Berichterstatter der tageszeitung wieder zulassen werde. Die taz müsse sich für einen Zeitungsbericht vom 3. September entschuldigen. Erst danach dürften Korrespondenten an der Veranstaltung in Leipzig teilnehmen.

Der Streit zwischen der IG Metall und der taz geht auf einen Text unter dem Titel „‚Stalins‘ Erbfolge“ zurück. Darin wurden IG-Metall-Mitglieder zitiert, die davon sprechen, dass der in Leipzig abgelöste Vorsitzende Jürgen Peters manchmal intern auch „Stalin“ genannt werde. Wörtlich hieß es in dem Artikel: „Seine internen Gegner nennen ihn manchmal ‚Stalin‘.“

In einem tags darauf verfassten Schreiben an die taz-Chefredakteurin Bascha Mika nennt Georgios Arwanitidis, der Leiter der IG-Metall-Pressestelle, den Vergleich von Peters mit Stalin „eine skandalöse Beleidigung“. Dass sich diesen Spitznamen nicht der Autor ausgedacht hatte, sondern seine presserechtlich geschützten Informanten in der IG Metall, ließ er nicht gelten. „Da helfen auch keine Anführungszeichen.“

Eine Woche später erhielt die taz Post von den Anwälten der IG Metall mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Sie bezieht sich sowohl auf den Titel des Beitrags als auf den oben zitierten Satz. Die taz kam dieser Aufforderung nicht nach und ließ die Frist verstreichen.

taz-Chefredakteurin Bascha Mika sieht in dem Ausschluss ihrer Kollegen vom Gewerkschaftstag „eine Einschränkung der freien Berichterstattung und eine Behinderung der Presse“. Die IG Metall habe „Anlass, sich Gedanken über ihr Demokratieverständnis zu machen“.

Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die IG Metall. „Von Gewerkschaft zu Gewerkschaft: Die IG Metall hat nicht das Recht, sich mit dem Ausschluss der taz von der Berichterstattung gegen die kritisierte Veröffentlichung zu wehren“, sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken. „Das ist Erpressung in Reinform und für eine Gewerkschaft unwürdig.“ Die IG Metall sieht das anders. „Für diese Eskalation“ ist die taz verantwortlich“, sagte Arwanitidis.

DAVID DENK