Erst die Partei, dann die Migranten

Es war ihr großer Tag. Am Mittwoch stand sie endlich einmal im Mittelpunkt. Maria Böhmer durfte vor der Bundespressekonferenz ihren „Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ vorstellen. Ganz allein. Bewaffnet mit einem dicken Wälzer. Bestürmt von Fragestellern. So viel Aufmerksamkeit hatte Böhmer noch nie bekommen.

Obwohl die 57-jährige CDU-Politikerin schon seit zwei Jahren als Staatsministerin für Integration mit einem schönen Büro im Kanzleramt fungiert, kam sie in den Medien bisher selten vor. Das lag zum einen daran, dass bei dem Integrationsgipfel der Regierung alle Blicke auf die Gastgeberin Angela Merkel gerichtet waren. Ausgerechnet eine CDU-Kanzlerin hatte zum ersten Mal Vertreter von Migranten in die Regierungszentrale eingeladen. Eine Premiere, die für viele Schlagzeilen sorgte. Dass im Alltag eigentlich Böhmer für die Integration zuständig ist, dürften dagegen die wenigsten Bürger wissen. Das liegt daran, wie sie ihr Amt versieht. Anecken ist ihre Sache nicht. Im Zweifel entscheidet sich Böhmer stets dafür, der eigenen Parteichefin möglichst wenig Schwierigkeiten zu bereiten. So hatte sie es auch als Vorsitzende der Frauen-Union stets gehalten. Dafür wurde sie 2005 mit dem prestigeträchtigen Posten der Staatsministerin belohnt. Ihr Aufgabengebiet kam eher zufällig zustande: Eigentlich war sie als Kulturstaatsministerin im Gespräch. In die Integrationspolitik musste sich die Pädagogikprofessorin erst einarbeiten. Dabei ließ Böhmer von Anfang an erkennen, dass sie sich – anders als die früheren Ausländerbeauftragten – nicht als Anwältin der Migranten versteht. So sagte Böhmer über die Integrationsprobleme in Deutschland: „Ich würde den Vorwurf nicht teilen, dass der Staat zu wenig gemacht hat.“

In ihrem Bericht meldet Böhmer die Bildungsprobleme der Migranten, aber sie stellt die Bildungspolitik nicht infrage. Auch Innenminister Wolfgang Schäuble muss keine Widerrede befürchten. Im Gegenteil. Die Integrationsministerin verteidigt eisern die neuen, strengeren Regelungen im Zuwanderungsgesetz. Auf Linie blieb Böhmer auch am Mittwoch, als ihr die Frage gestellt wurde: „Ist Deutschland ein Einwanderungsland?“ Böhmers überlegte kurz – und antwortete ausweichend: „Deutschland ist Integrationsland.“ Genau so steht es im CDU-Programm.

LUKAS WALLRAFF