Ortstermin bei NPD-Funktionärslesung: Abgang im Wanderkessel

Am vergangenen Freitag versuchte der NPD-Funktionär Andreas Molau aus seinem Roman zu lesen. Der Auftritt geriet erwartungsgemäß zur Farce.

NPD-Funktionär Andreas Molau bei einem Wahlkampfauftritt Bild: dpa

Die NPD hat es in Göttingen nie leicht. Jeder Versuch, in der Stadt öffentlichkeitswirksam aufzutreten, wird von Gegendemonstranten zur Farce gemacht. Zahlreiche gescheiterte Aufmarschversuche der extremen Rechten veranlassten sie vor wenigen Jahren, Göttingen zur "Frontstadt" zu erklären. Andreas Molau, 39, Spitzenkandidat der NPD Niedersachsen für die Landtagswahlen am 27. Januar, wollte dennoch am vergangenen Freitag in der Universitätsstadt sein neues Buch "Die Entdeckungen des Alexander Kern" vorstellen.

Wenn Molau sagt, er wolle dies in Göttingen tun, weiß er genau, warum er den exakten Veranstaltungsort in allen Ankündigungen zu erwähnen vergisst. Niemals könnte er ungestört aus seinem Roman lesen. Entsprechend aufwendig ist es für Uneingeweihte, den genauen Ort zu erfahren. Erst heißt es, man werde am Vormittag informiert. Doch die "Grüne Jugend Göttingen" war schneller: Sie fand heraus, wo die Lesung stattfinden sollte, und informierte die Inhaber über die Identität des angekündigten Gastes. Der "Vorreiter Verlag" hatte nach Auskunft des "Esprit" einen Tisch in dem Lokal reserviert. Im Internet bedauert das Etablissement, die Reservierung angenommen zu haben. "Inzwischen haben wir diese Reservierung abgesagt und werden auch, um keinerlei Plattform zu bieten, um 18.00 Uhr schließen."

Der Vorreiter Verlag musste sich also innerhalb weniger Stunden um einen neuen Veranstaltungsort bemühen. Fündig wurde er im "Hotel Gebhards", mitten in der Innenstadt. Damit das auch geheim bleibt, erfahren selbst die Journalisten erst eine Stunde vor Beginn telefonisch von der noblen Wahl des Verlags. Der Veranstalter, der sich den einen als "Herr Beck", den anderen als "Herr Schneider" vorgestellt hatte, reagiert peinlich berührt auf die aufgeflogene Namenstäuschung: "Doppelname halt." Er ist Mitte 20, trägt ein weißes Hemd und ein Jackett. Wer von den anderen Anwesenden zu den Gästen zählt und wer zum Schutz der Veranstaltung anwesend ist, wird nicht deutlich. Nur wenige klassische "Stiefelnazis" befinden sich unter ihnen, die meisten sind seriös gekleidet oder unterscheiden sich äußerlich nicht vom Stereotyp der ebenfalls anwesenden Antifaschisten.

Als Journalisten den Saal betreten, sind außer den geschätzten 20 geladenen Gästen zehn schwarz gekleidete Linke im Raum. Die Veranstalter sprechen von der "Gegenseite". Allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz ist es ihr gelungen, den unwillkommenen Gästen in das Hotel zu folgen. Es ist eine unwirkliche Szenerie, weil lange Zeit so gut wie nichts passiert. Einzig ein junger Mann, vom Äußeren dem Spektrum der autonomen Nationalisten zuzuordnen, liefert sich längere Wortgefechte mit den anwesenden Linken. Die politischen Grenzen verschwimmen: Als der "Gegenseite" eine Flasche Coca-Cola durch das Fenster hineingereicht wird, stellt er fest, dass die Linken offensichtlich von Antiimperialismus nichts halten würden: "Die Kinder in Indien sind euch wohl egal?"

Eine gute halbe Stunde lang liefern sich die beiden Parteien kleinere Scharmützel. Molau wird im Eingangsbereich geschubst, im Saal stellen sich ihm Antifaschisten unter dem pompösen Kronleuchter in den Weg. Weil der Durchgang für die NPD-Gegner durch die Tür mittlerweile versperrt ist, verschaffen sich manche Zutritt durch ein Fenster. Die anwesenden Journalisten werden freundlich behandelt und darauf hingewiesen, dass die Lesung wohl etwas später beginnen würde. Viel mehr passiert nicht. Obwohl die Situation angespannt ist, kommt es von keiner Seite zu gewalttätigen Übergriffen. Eine Schlägerei auf einer Lesung Andreas Molaus eine Woche vor der Landtagswahl? Das wären Schlagzeilen, die die NPD jetzt nicht gebrauchen kann.

Mit den Worten "marschbereit machen" weist Schneider/Beck dann seine Leute an, den Raum zu verlassen. Noch bevor das Hotelmanagement anwesend ist, um die Veranstaltung gegebenenfalls abzusagen, räumen die Rechten kampflos das Feld. Die "Gegenseite" bleibt und freut sich über ihren Erfolg, selbst die herbeigerufene Polizei geht nur zaghaft gegen diejenigen vor, die ihr vorwerfen, Faschisten zu beschützen. Im Wanderkessel verlassen Molau und seine Gefolgschaft das Hotel, begleitet von "Nazis raus!"-Rufen der knapp 100 Demonstranten, die sich vor dem Hotel versammelt haben. Das Buch von Molau? Um das ging es an diesem Freitag nicht.

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