Warum die FDP uncool ist: Unpolitisch, zickig, liberal

Die FDP fährt in Niedersachsen und Hessen gute Ergebnisse ein. Warum nur? Der einstige Leuchtturm deutscher Freisinnigkeit ist doch nur noch ein mehrheitbeschaffendes Anhängsel der Union.

Das Elend der deutschen Traditionsliberalen trägt seinen Namen: FDP-Generalsekretär Dirk Niebel Bild: ap

Wer in der politischen Arena handeln möchte, muss, vor allem als kleinere Formation, darauf bedacht sein, in jeder Hinsicht operationsfähig zu bleiben. Die Grünen erkennen dies mittlerweile, deshalb trauen sich manche, von schwarz-grünen Allianzen zu träumen. Die FDP, im Gegensatz zur neolibertären Ökopartei der Traditionsverein des deutschen Liberalismus, ist von dieser politischen Tugend aktuell sehr weit entfernt. Denn Politik ist, wenn man das Geschwätz von gestern für gestrig erklärt und ansonsten sich für koalitionstauglich mit allen demokratischen Parteien erklärt. Jedes Handeln ist einzig dem Zweck unterworfen, Einfluss zu erlangen, und das ist am günstigsten an den Hebeln der Macht.

Für jede Aussage, die gemacht wird, um ein Gegenüber zu schmähen, als unzulänglich abzuwerten oder gar dessen Anliegen als absurd und für nicht einmal besprechenswert zu erachten, ist wohl Projektion das treffendste Wort. Insofern muss von einer Projektion gesprochen werden, wenn FDP-Generalsekretär Dirk Niebel nun erklärt, er habe das "ewige Anschleimen" der SPD satt. Die nämlich wolle nur die FDP aus dem Versprechen, das diese der Union Roland Kochs gemacht habe, herausbröseln - und das sei gemein und sinnlos. Mit anderen Worten: Das Elend der deutschen Traditionsliberalen trägt seinen Namen. Denn was soll daran servil oder schleimig, unstatthaft sein, eine Partei um Änderung ihrer Einflussstrategien zu bitten?

Was Niebel öffentlich und bestimmt im Einvernehmen mit dem Gros der hessischen FDP-Wähler vertritt, ist, so gesehen, nichts als eine Identitätspolitik, für die die Grünen mal berüchtigt waren: Mit denen sollen wir? Verraten wir uns dann nicht? Kann ich das mit meiner Seele denn vereinbaren?

Politik hat allerdings nur gering mit Seelischem zu tun. Sondern viel mehr, wie seit Schließung der hessischen Wahllokale, mit Verrat - oder mit einem anderen Wort: mit Realismus. Aber Niebel ist ja andererseits wahrscheinlich auch kein Dummer. Er muss das mit der Schleimerei sagen, denn seine Partei ist ja, seit die Grünen die Bühne der Republik betraten, etwas konturenlos. Liberal? Sind die Grünen auch. Und was sonst? Schaut man sich die Bilder aus den FDP-Zentralen an, die einen im Wohnzimmer anstrahlen, sieht man junge Männer und Frauen, die schnieke aussehen, alle im Anzug oder Kostümchen, gegelt oft ihre Frisuren. Und alle scheinen die gellende Hysterie von übervorteilten Steuerzahlern zu verströmen, die nur übertönt, dass wir es bei ihnen mit Subventionsabgreifern zu tun haben. Die aus lauter Gier auch noch dauernd die Steuerverschwendung der anderen beklagen. FDP - die Partei der Bürgerrechtlichkeit? Im Urteil der Wählerschaft kommt dieses Moment, für das die Liberalen noch in den Siebzigern (Karl-Hermann Flach, Werner Maihofer, Walter Scheel) berühmt war, nicht mehr vor. Alles schmeckt nach dem Odeur von Besserverdienenden, schlimmer noch: von Charakteren, die zu diesen gern zählen würden.

Die FDP steht für kein anderes Thema als für solche, die nach Raffgier riechen, und dem erstbesten Vorteil - und einer Fantasie von einem Kapitalismus, der keine Regeln kennt, nicht einmal marktwirtschaftliche. Das, was die Liberalen öffentlich repräsentieren, mag programmatisch anders akzentuiert sein: Im wahren Leben empfindet man diese Partei als freiwilligen Knastinsassen einer Koalition, die gar nicht anders will. Vielleicht hat das auch mit der Verachtung dieser Partei - was für ein Unterschied zu den Siebzigern! - für den nach Gerechtigkeit dürstenden Pöbel zu tun: Man will sich nicht gemein machen.

Möchte man ernsthaft mit all den Schnöseln zu tun haben - allen vorteilhaften Figuren wie Cornelia Pieper (Exgeneralsekretärin), Silvana Koch-Mehrin (präsentable Europaabgeordnete) und Michael Kauch (umweltpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion) zum Gegenteil? Die FDP lahmt immer noch, seit sie sich selbst 1982 von der SPD löste und zu Helmut Kohl konvertierte. Sie glaubt, mit der Union im Strom des Zeitgeistes zu rühren. Tut sie nicht. Es sieht alles nur unbeweglich, hausbacken und vor allem fern von Politischem aus. Die FDP ist einfach nicht cool. Und wer mitmischen will, sollte auf Eingeschnapptheiten verzichten. Das wird auch Dirk Niebel irgendwann begreifen.

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