Verbraucherschützer fordern: Der Staat soll das Stromnetz kaufen

Der Staat soll das Hochspannungsnetz übernehmen - der Chef der Regulierungsbehörde hält davon nichts. Dabei wäre dies politisch wie wirtschaftlich attraktiv.

Arbeitgeber unklar: Werkende am Stromnetz. Bild: dpa

Die Diskussion um die Zukunft der Hochspannungsnetze in Deutschland gewinnt an Fahrt. Während Verbraucherschützer, Grüne, Linkspartei und Teile der SPD immer lauter eine Verstaatlichung der Netze fordern, ging jetzt der Chef der Regulierungsbehörde, Matthias Kurth, in Opposition: "Der Ruf nach dem Staat ist nicht notwendig", sagte er am Dienstag in einem Interview.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits kurz nach der Verkaufsankündigung des Eon-Konzerns erklärt, sie habe "eine Verstaatlichung des Netzes nicht im Auge". Doch der Druck auf die Bundesregierung wächst, sich präziser zu positionieren. Denn eine Aussage darüber, wen man sich als künftigen Eigner deutscher Stromnetze vorstellen kann, steht noch aus.

Eine solche Festlegung ist wichtig, weil es vermutlich unterschiedliche Interessenten für das Übertragungsnetz geben wird. Zum Beispiel für ausländische Rentenfonds können die Netze aufgrund ihrer Ertragssicherheit attraktiv sein. Oder staatsnahe ausländische Konzerne könnten die Chance ergreifen, mit dem Einstieg in die deutsche Infrastruktur eine Machtposition aufzubauen. Die Frage, wer bei den Stromnetzen zum Zuge kommt, ist somit auch eine Entscheidung darüber, wem man ein Stück Kontrolle über ein so wichtiges Stück der Daseinsvorsorge anvertrauen will.

Obwohl die Hochspannungsnetze für Eon inzwischen unattraktiv geworden sind, können sie für viele Investoren ein gutes Investment sein. Vor allem sind sie eine sichere Anlage. Denn durch die Preisgenehmigung seitens der Bundesnetzagentur ist die Rendite quasi staatlich garantiert. Eine Eigenkapitalverzinsung zwischen 6,5 und fast 8 Prozent ist Grundlage für die Festsetzung der Netzentgelte. Investoren, die höchste Kapitalsicherheit suchen, sind mit solchen Renditen zumeist zufrieden.

Stromkonzerne ticken dagegen etwas anders - sie verlangen üblicherweise eine satte zweistellige Rendite aufs eingesetzte Kapital. Und da sie eine solche bei der Stromerzeugung sehr wohl erzielen können, ist ihr Abschied vom weniger lukrativen Übertragungsnetz betriebswirtschaftlich durchaus folgerichtig. Im Netz nämlich war eine solche Rendite nur zu Monopolzeiten möglich. Seit jedoch die Regulierungsbehörde darüber wacht, welche Nutzungsgebühren die Netzeigentümer für den Stromtransport erheben, ist das anders.

Da Netzrenditen aber noch immer deutlich höher sind als die Verzinsungen von Bundeswertpapieren, wäre es für den Staat durchaus ökonomisch attraktiv, die Netze zu übernehmen. Derzeit leiht sich der Bund - zum Beispiel über die Ausgabe von Obligationen - Geld zu Zinssätzen unter 3,5 Prozent jährlich. Dieses Geld in den Netzkauf investiert, würde höhere Erträge erzielen - und könnte folglich sogar den Bundeshaushalt entlasten.

Zudem bietet der Abschied von Eon auch strukturpolitisch eine historische Chance, wie es sie auf Jahrzehnte hinaus nicht wieder geben wird: Deutschland kann sich jetzt eine staatliche oder zumindest staatlich dominierte Netzgesellschaft schaffen, deren oberstes Ziel alleine die sichere Stromversorgung des Landes ist. Dass eine staatliche Netzgesellschaft nicht abwegig ist, zeigt übrigens auch ein Blick in die Schweiz. Dort nämlich wurden im Dezember 2006 die gesamten Übertragungsnetze in der nationalen Gesellschaft Swissgrid zusammengeführt.

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