taz.de/blog ist Literatur

Die taz-blogs erfreuen sich nicht nur im Netz einer immer größeren Beliebtheit. Und sie landen sogar im Deutschen Literaturarchiv

Im Sommer 2006 wurden auf taz.de die ersten Blogs eingerichtet. Die Frage war damals: Bereichern Weblogs, dieses merkwürdige Hybrid aus persönlichem Tagebuch und aktuellem Nachrichtenticker, das journalistische Angebot der taz? Und würden sie von den LeserInnen angenommen? Dank des Vorteils von Online-Angeboten, die Nachfrage genau messen zu können, ließ die Antwort aber nicht lange auf sich warten. Mittlerweile verzeichnen die taz-Blogs 300.000 Zugriffe monatlich und manches Blog-Posting wird online ebenso oft gelesen wie der Leitartikel der aktuellen Printausgabe.

Zu dieser Aufmerksamkeit im Web, das die BloggerInnen für das ausbleibende Honorar zumindest indirekt entschädigt, kam jetzt für einige noch ein weiterer immaterieller Bonus hinzu – und zwar aus einer ganz unerwarteten Ecke. Das Deutsche Literaturarchiv (DLA) inMarbach erbat im vergangenen Monat die Genehmigung, die „literarischen Blogs“ auf taz.de künftig doch archivieren zu können.

Die Blogs des Reptilienforschers und Lesebühnen-Matadors Heiko Werning (Reptilienfonds), des fabelhaft fabulierenden Joachim Lottmann (Auf der Borderline nachts und halb eins?), der schreibenden Bildkünstler Ernst Volland (Vollands Blog) und Gerhard Seyfried (Zeichenblog) sowie der Verleger Jörg Schröder und Barbara Kalender (Schröder&Kalender) werden der Nachwelt somit im größten und wichtigsten Archiv deutschsprachiger Literatur erhalten bleiben.

Mit seinem „Digitalen Archiv“ trägt das DLA der Tatsache Rechnung, dass Literatur im Internetzeitalter nicht mehr nur schwarz auf weiß, sondern auch digital produziert wird, und nimmt diese taz-Blogger, die sich alle auch schon auf Papier einen Namen gemacht haben, in diesen Kanon auf.

Dass die „Gutenberg-Galaxis“, wie der Medienforscher McLuhan einst die Welt aus Papier und Druckerschwärze nannte, auch in der anderen Richtung mit der Online-Welt zusammenwächst, haben unterdessen Jörg Schröder und Barbara Kalender unter Beweis gestellt. Sie haben ein „Best Of“ ihres taz-Blogs gedruckt herausgegeben. Es erschien als 50. Folge ihrer Reihe „Schröder erzählt“, die sie seit 17 Jahren als Privatdruck für einen Kreis von 400 Subskribenten veröffentlichen. Wie dieser zivilisationsästhetisch anspruchsvolle Leserkreis den „Abklatsch“ aus der Blogwelt aufnehmen würde, war durchaus nicht ausgemacht.

Doch das Feedback überzeugte auch hier: „Habe gestern die Folge im Bett gelesen, toll, werde jetzt ein Seminar über literarische Blogs machen“, schrieb einer. Und ein anderer Subskribent bekannte offen und ehrlich: „Ich nehme alles, was ich jemals über ‚Blogs‘ gelästert habe, reumütigst zurück – liest sich wieder einmal ganz wunderbar.“

Soviel Ehre könnten die BloggerInnen auf taz.de jetzt mit der Parole des ehemaligen taz-Kolumnisten Wolfgang Neuss kontern: „Geltung ham wer genug, wir brauchen Geld!“ Doch leider lässt die wirtschaftliche Entwicklung des Webangebots der taz – das sich, um kostenlos zu bleiben, mit Werbung finanzieren muss – noch keine angemessene Entlohnung für die Blogs zu. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass wir aus Umfragen unter taz-AbonnentInnen und tazGenossInnen wissen, dass regelmäßige LeserInnen der Printausgabe das Webangebot relativ selten nutzen.

Vielleicht, weil sie noch gar nicht wissen, dass sie auf taz.de mittlerweile Einiges finden, was nicht in ihrer geliebten Zeitung steht. Zum Beispiel Blogs mit dem Prädikat „literarisch wertvoll“. MATHIAS BRÖCKERS